75 IGFarben Premnitz; Rep. 75 IG Farbenindustrie AG, Werk Premnitz (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 75 IG Farbenindustrie AG, Werk Premnitz
Dat. - Findbuch:1888 - 1951
Vorwort:Firmengeschichte

Das Werk Premnitz war bis zur Zerschlagung des Hitlerfaschismus und der damit verbundenen Entmachtung der Monopole ein Betrieb des IG-Farben-Konzern. Im Verlaufe seiner Geschichte und vor allem während des Faschismus spielte der IG-Farben-Konzern eine verhängnisvolle Rolle. In einem der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse stand er unter Anklage und wurde als Kriegsverbrecherkonzern verurteilt.
Durch die Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken wurde 1916 das Premnitzer Werk als Pulver- und Schießwollefabrik erbaut. Nach Beendigung des Krieges wurde es als Werk der Rüstungsindustrie stillgelegt und musste seine Produktion umstellen. Unter der Firmenbezeichnung "Köln-Rottweil AG, Fabrik Premnitz" erfolgte 1919 die Umstellung des Betriebes auf Kunstseidenproduktion nach dem Viskoseverfahren. Durch den Konkurrenzkampf im In- und Ausland gezwungen, wurde in Premnitz neben der Herstellung von Kunstseide, v. a. der Travisseide, an der Entwicklung einer neuartigen Kunstfaser gearbeitet und es gelang erstmalig, eine Kunstspinnfaser herzustellen. Sie erhielt den Namen Vistra. Damit hatte sich Premnitz zum Pionierbetrieb auf dem Gebiete der Viskosefaser entwickelt.
Nach der Fusion der Köln-Rottweil AG mit dem 1925 gegründeten IG-Farben-Konzern wurde die Fabrik Premnitz in "IG Farbenindustrie AG, Werk Premnitz" umbenannt und gehörte zur Sparte III des Konzerns (Betriebsgemeinschaft Berlin). Der IG-Farben-Konzern gliederte sich auf mittlerer Konzernebene nach Produktionsbranchen (Betriebsgemeinschaften, Sparte III), und die Sparte III fasste alle IG-Werke zusammen, die fotografische Produkte und Kunstfasern herstellten. Leiter der Sparte III war von 1929 - 1945 Fritz Gajewski, der zum Führungsgremium der IG-Zentrale in Berlin NW 7 gehörte und gewinnbringende kriegswichtige Forschungsaufträge an seine Sparte weiterleiten konnte.
Nach der Übernahme des Premnitzer Werkes durch die IG Farbenindustrie AG wurden die technischen Anlagen im Werk erweitert. Um den Absatz im In- und Ausland zu sichern, mussten die Produktion erhöht, die Verfahren wirtschaftlicher gestaltet und die Qualität der Erzeugnisse weiter verbessert werden. Für die Forschung und Entwicklung wurden in Premnitz erhebliche Mittel eingesetzt, die zur Verbesserung der Travisseide, einer feinstfädigen Kunstseide, und v. a. der Vistrafasern führten. Ende 1931 wurde die Herstellung einer mittelfädigen Seide neu aufgenommen, die als Glanzseide (Trinova) und als Mattseide (Suprema) herausgebracht wurde. Die Suprema fand als Spezialstrumpfseide einen hohen Absatz. Versuche, die Supremaseide nach einem Direktverfahren herzustellen, führten zur Entwicklung des Zentrifugen-Zwirn-Verfahrens.
Während der Zeit der Weltwirtschaftskrise gestaltete sich der Absatz, v. a. auf den ausländischen Märkten, sehr schwierig. Die Werkleitung in Premnitz entließ zahlreiche Arbeiter und senkte die Löhne. Infolge mangelhaften Arbeitsschutzes ereigneten sich schwere Unfälle, Brände und Explosionen im Premnitzer Werk. Das große Explosionsunglück vom 7. Dezember 1932 forderte 12 Menschenleben.
von 1933 an erfolgte die Einbeziehung des Betriebes in das Aufrüstungs- und Kriegsprogramm der Faschisten. Der IG-Farben-Konzern zog großen Nutzen aus dem Autarkiebestreben des faschistischen Staates. Im Rahmen des "Nationalen Faserstoffprogramms" wurden Fasern aus einheimischen Rohstoffen gefordert. Die Unabhängigkeit von Baumwollimporten war von besonderer Bedeutung. Die Zellwolle sollte die Baumwolle ersetzen und musste mit dem Naturprodukt konkurrenzfähig sein.
Von 1933 an wurden in größerem Umfang die technischen Anlagen des Vistrabetriebes und des Travisbetriebes modernisiert und erweitert. Auf dem Gebiet der Viskosefaserforschung tauschte das Werk Premnitz Ergebnisse mit anderen IG-Werken aus und für die Herstellungsverfahren konnten auch eigene Forschungsergebnisse zugrunde gelegt werden. In Premnitz wurden v. a bei der Entwicklung der Vistrafasern wichtige Erfolge erzielt.
Als Spezialfaser für das Wollgebiet wurde die Vistra-XT-Faser entwickelt, eine Faser mit beständiger Kräuselung und Oberflächenstruktur, ähnlich der natürlichen Wolle; die Vistra-XTh-Faser hatte zusätzlich wasserabweisende Eigenschaften. Der Hauptteil der Produktion ging an die Baumwolle verarbeitende Industrie, ein geringerer wurde für die Entwicklung von Faser für das Wollegebiet verwandt. Die für die Baumwollindustrie hergestellten Spezialtypen waren Vistra-HB, die CWW-Fasern und die PKR-Faser, die sich durch eine besonders hohe Naßfestigkeit auszeichnete. Damit war Vistra für die Herstellung von Militärtuchen geeignet. Mit den IG-Werken Premnitz, Wolfen, Dormagen, Oppau und Lichtenberg wurde die IG-Farben zum größten Zellwollunternehmen der Welt, wobei Premnitz die führende Rolle innehatte.
Bei der Weltausstellung in Paris 1937 erhielt die Vistra die höchste Auszeichnung, den Grand Prix.
Das Werk Premnitz verfügte, wie der gesamte Konzern, über ein gut ausgebautes Netz sozialer Einrichtungen. Sie dienten v. a. dazu, die Arbeiter zur Werkstreue zu erziehen und eine Stammbelegschaft guter Fachleute im Werk heranzubilden.
In Premnitz befand sich auch eine Anlage zur Herstellung von Schwefelkohlenstoff, die den Bedarf für sämtliche Kunstseidefabriken der IG deckte. Nach dem Ausbau alter Gebäude der ehemaligen Pulverfabrik wurde auch die Produktion von Aktivkohle aufgenommen.
Bereits seit 1933 fungierte das Werk als Wehrwirtschaftsbetrieb mir besonderen Produktionsaufgaben. Nach Kriegsausbruch trat im Werk Premnitz das Mobilisierungsprogramm, dazu gehörte auch die Herstellung von Fallschirmseide, in Aktion.
Eine enorme Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und der politischen Rechte der Werksangehörigen trat in den Jahren des Zweiten Weltkrieges ein. Zwangssparen und die Rationierung für Lebensmittel und Gebrauchsgüter wurden eingeführt. Durch Kriegsdienstverpflichtungen und die Einführung einer 60-Stunden-Woche (1944) erreichte die kapitalistische Ausbeitung ihren höchsten Grad. Im Laufe des Krieges mußten in Premnitz immer mehr Frauen und Jugendliche in der Rüstungsindustrie arbeiten, dazu kamen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene wurden besonders stark ausgebeutet. Trotz schlechter Behandlung, Unterbringung und Verpflegung wurden Höchstleistungen von ihnen gefordert. Eine unvergleichlich schlechtere Behandlung erfuhren sowjetische und polnische Zwangsarbeiter. Fluchtversuche, die scheiterten, mußten mit dem Leben bezahlt werden. Ausländische Zwangsarbeiter riefen 1944 im Werk Premnitz zu Aktionen für die Beendigung der Krieges auf.
Für die Weiterentwicklung der Perlonfasern, v. a. für militärische Zwecke, wurde ein Teil der Perlonseideanlage von Landsberg (Warthe (heute Gorzow Wielkopolski)) nach Premnitz verlagert. Inbetriebnahme und Ausbau der Perlonanlage wurden schnell vorangetrieben. Zu den weiteren Kriegsaufträgen gehörten die Erzeugung von Fallschirmtextilien und die Entwicklung eines für die Herstellung von Gasschutzstoffen einsetzbaren Perlongarns bzw. -gewebes.
Neben den Versuchen auf dem Gebiet der Perlonfaser wurde bis Ende des Krieges an der für Militärtuche einsetzbaren Vistrafaser gearbeitet.
Premnitz fiel als Werk der IG-Farben unter das von den vier Besatzungsmächten am 30. November 1945 gemeinsam beschlossenen Kontrollratsgesetzes Nr. 9 (Beschlagnahme und Kontrolle des Vermögens der IG Farbenindustrie AG).
Im Herbst 1945 wurde das Werk unter Treuhandverwaltung gestellt.

Bestandsgeschichte

Der Bestand IG Farbenindustrie AG, Werk Premnitz wurde vom Betriebsarchiv des VEB Chemiefaserwerk "Friedrich Engels" Premnitz in den Jahren 1974 - 1985 an das Staatsarchiv Potsdam abgegeben, größtenteils ohne Findhilfsmittel. Im Staatsarchiv erfolgte 1986 die Bewertung, erweiterte Verzeichnung und Ordnung.
Da das Werk Premnitz im Oktober 1945 unter Treuhandverwaltung gestellt wurde, bildete dieser Zeitpunkt die Formationszäsur für diesen Bestand.
Nach Beendigung der Verzeichnung wurde in enger Anlehnung an die Verwaltungsstruktur ein Ordnungsschema erarbeitet, das nach dem System der Dezimalklassifikation aufgebaut ist und im Höchstfall fünf Gliederungsstufen umfasst.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=1693273
 
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