6B; Rep. 6B Kreisverwaltungen; 1620-1952 (Bestandsgruppe)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Signatur:6B
Titel:Rep. 6B Kreisverwaltungen
Vorwort:Allgemeine Behördengeschichte

Vor den Preußischen Reformen wurden die Kreise der Mark Brandenburg in ihrer Doppelfunktion als ständische Verbände und untere staatliche Verwaltungsbezirke vom grundbesitzenden Adel beherrscht. Dieser dominierte in den Kreisständen. Aus der Mitte der kreiseingesessenen Rittergutsbesitzer und auf Vorschlag des Kreistages ernannte der König den Vertreter des Staates im Kreis, den Landrat. Die im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Staatsreform nach 1806 versuchte Verstaatlichung des Landratsamtes schlug fehl. Das Gendarmerieedikt von 1812, das den Landrat seines halbständischen Charakters entkleiden und ihn zu einem reinen Staatsbeamten machen sollte, scheiterte am Widerstand der altständischen Kräfte.
Die Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden vom 30. April 1815 schuf zwar in Gestalt der neuen Kreise einheitliche, Stadt und Land gleichmäßig umfassende Verwaltungsbezirke der unteren Ebene – nur die größeren Städte sollten eigene Stadtkreise bilden – stellte aber das Amt des Landrates in seiner alten Form wieder her. Mit einer Kabinettsorder sicherten sich 1816 die Kreisstände das Recht der Präsentation dreier Kandidaten aus der Schicht der kreiseingesessenen Grundbesitzer für das Landratsamt. Bei der Einrichtung der Landratsämter im Jahre 1816 wurden die Landräte der dienstlichen Aufsicht der Regierungen unterstellt. Das Landratsamt war der Mittelpunkt der inneren Verwaltung im Kreis. Zum Geschäftskreis des Landrates gehörten die allgemeine Landesverwaltungspolizei, Militärsachen, Gewerbeangelegenheiten im weitesten Sinne, Aufsicht über das Regalien- und Abgabenwesen, insbesondere Steuerveranlagung und -einziehung und Aufsicht über die Kreiskasse.
Die von der Reformpartei zwischen 1815 und 1822 erarbeiteten Kreisordnungspläne, die dem Bürgertum und den bäuerlichen Grundeigentümern eine angemessene Vertretung im Kreistag sichern wollten, scheiterten ebenfalls. Die schließlich am 17. August 1825 für die Provinz Brandenburg erlassene Kreisordnung sicherte wie bisher jedem Rittergutsbesitzer seine persönliche Kreisstandschaft. Dagegen konnten die Städte nur je einen, sämtliche Landgemeinden des Kreises sogar nur drei Vertreter in den Kreistag entsenden. Dessen Präsentationsrecht für die Besetzung des Landratsamtes wurde noch einmal bestätigt. Der Kreistag wurde vom Landrat einberufen. Seine Aufgaben beschränkten sich neben der Beratung des Landrates in Kommunalangelegenheiten auf die Steuerverteilung, die gutachtliche Äußerung zu Kreisabgaben, die Prüfung der Verwendung der Kreismittel und die Wahl der Kreiskommunalbeamten. Eigene Steuern durfte der Kreistag nicht erheben. Erst 1841 erhielten die Kreisselbstverwaltungen das Recht, in gewissen Fällen Kreisabgaben zu beschließen.
Die kreisständische Verfassung wurde im Ergebnis der Revolution von 1848 durch die den Selbstverwaltungsideen des liberalen Bürgertums gemäßere Kreisordnung von 1850 abgelöst, während der Reaktionszeit im Jahre 1853 aber bereits wiederhergestellt. Erst als sich nach 1866 das Großbürgertum unter dem Eindruck der nationalen Einigung von oben zum Bündnis mit dem Großgrundbesitz bereit fand, kam es 1872 mit der Kreisordnung für die sechs östlichen Provinzen zu einer Reform des Kreisverwaltungssystems. Sie trat 1874 in Kraft. In den Kreistagen fielen nun die Virilstimmen der Rittergutsbesitzer weg. Für die Wahl zu den Kreisversammlungen wurden die drei Wahlverbände der größeren ländlichen Grundbesitzer, der Landgemeinden und der Städte geschaffen, die ihre Deputierten in die Kreistage entsandten. Maßstab für die Verteilung der Sitze zwischen Stadt und Land war die Bevölkerungszahl, wobei die Zahl der städtischen Abgeordneten aber die Hälfte der Gesamtzahl aller Abgeordneten nicht überschreiten durfte. Die nach Abzug der städtischen Abgeordneten übrig bleibenden Sitze teilten sich die beiden ländlichen Verbände. Die Vorherrschaft des Landes und damit, wie die Zukunft zeigte, des Großgrundbesitzes über die Stadt blieb so erhalten. Sie wurde nur insofern abgeschwächt, als Städte mit einer Größe von mehr als 25.000 Einwohnern jetzt das Recht erhielten, aus dem Kreisverband auszuscheiden und eigene Stadtkreise zu bilden.
Der Kreistag hatte den Kreiskommunalverband zu vertreten und über die Kreisangelegenheiten sowie die ihm übertragenen Gegenstände zu beraten und zu beschließen. Er verteilte die Staatsabgaben im Kreise, beschloss Kreisabgaben und stellte die Kreisrechnungen und -etats auf.
Als Vollzugsorgan der Kreisselbstverwaltung wurde in Anknüpfung an die Kreisordnung von 1850 ein Kreisausschuss begründet, der zugleich den Charakter einer staatlichen Verwaltungsbehörde erhielt, indem ihm Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung zur selbständigen Erledigung zugewiesen wurden. Er setzte sich aus dem Landrat als Vorsitzenden und 6 Mitgliedern, die von der Kreisversammlung gewählt wurden, zusammen. Der Kreisausschuss sollte die Beschlüsse des Kreistages vorbereiten und ausführen, die Kreisangelegenheiten verwalten und die Kreisbeamten ernennen. Der Umfang der dem Kreisausschuss übertragenen Geschäfte wuchs mit der Zeit immer mehr an. Dazu gehörten die verschiedensten Zweige der Landesverwaltung: Armen- und Wegepolizei, Wasserbausachen, feld-, gewerbe-, bau- und feuerpolizeiliche Angelegenheiten, Ansiedlungssachen, Dismembrationsangelegenheiten, die Aufsicht über die Kommunalangelegenheiten der Amtsbezirke, Landgemeinden und Gutsbezirke, Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheitspflege und Justizverwaltung. Schließlich wurde dem Kreisausschuss innerhalb der durch die Kreisordnung neu begründeten Verwaltungsgerichtsbarkeit, die einen Gerichtsschutz gegenüber Verwaltungsakten gewähren sollte, die Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts der ersten Instanz übertragen.
Der Landrat wurde nach der Kreisordnung wie bisher vom König ernannt. Die Kreisversammlung behielt das Vorschlagsrecht, an das die Krone aber nicht mehr gebunden war. Als Vorsitzender des Kreistages, den er einberief, und vor allem des Kreisausschusses, dessen laufende Geschäfte er führte, verkörperte er den Einfluss der staatlichen Bürokratie auf die kommunale Selbstverwaltung. Der Geschäftskreis des Landrats blieb – abgesehen von seiner neuen Funktion als Vorsitzender des Kreisausschusses – im Wesentlichen unverändert. Seine politisch wichtigste Aufgabe war die Verwaltung der gesamten Polizei im Kreis, insbesondere auch der politischen Polizei. Neue Aufgaben erwuchsen in der Folgezeit aus der Durchführung der Gewerbe- und Versicherungsgesetzgebung. 1911 wurden den Landratsämtern Versicherungsämter angegliedert, deren Vorsitz der Landrat innehatte. Während des Ersten Weltkriegs überwachten Landräte und Kreisausschüsse die Durchsetzung der Kriegswirtschaft im Kreis.
Während der Novemberrevolution kontrollierten Arbeiter- und Soldatenräte vorübergehend in verschiedenen Kreisen der Provinz die Tätigkeit der Landräte. Als bleibendes Ergebnis der Revolution erfolgte eine Demokratisierung des Wahlrechts für die Kreisversammlung. 1920 wurden die Wahlverbände aufgelöst. Alle Kreisangehörigen wählten fortan in allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen die Kreistagsabgeordneten, die sich aus Vertretern der Parteien zusammensetzten. Den Landrat ernannte nach dem Sturz der Monarchie das Staatsministerium. 1924 wurden dem Kreisausschuss alle Fürsorgeaufgaben im Kreis übertragen.
Die „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten führte 1933 zur Beseitigung der demokratisch-parlamentarischen Formen der Kreisselbstverwaltung und – gemäß dem NS-Führerprinzip – zu einer zunehmenden Stärkung der Stellung des Landrates. Nach dem schon 1932 den Landräten gewisse Kontrollfunktionen gegenüber den übrigen staatlichen Kreisbehörden übertragen worden waren, wurden sie im März 1933 für die Durchsetzung der „Grundsätze der nationalsozialistischen Staatsverwaltung“ bei den anderen Kreisbehörden verantwortlich gemacht. Als im Dezember 1933 die Selbstverwaltung der Gemeinden aufgehoben wurde, unterstellte man diese der Staatsaufsicht in Person des Landrates. Die Kreistage waren bereits im Februar 1933 aufgelöst worden. Ihre Befugnisse gingen im Juli 1933 an die Kreisausschüsse über. Diese verloren ihrerseits ihre Funktion als Beschlussbehörde im Dezember 1933 an die Landräte. Die Tätigkeit als Verwaltungsgericht setzten die Kreisausschüsse unter der Bezeichnung „Kreisverwaltungsgericht“ fort. Im August 1939 wurden im Ergebnis der Kriegsvorbereitungen bei den Landratsämtern Ernährungs- und Wirtschaftsämter eingerichtet. Der Kriegsverlauf zwang zu einer Vereinfachung der Verwaltungsorganisation und allmählichen Reduzierung der Verwaltungstätigkeit auf lediglich kriegsnotwendige Vorhaben. Schon 1939 verloren die Kreisausschüsse die ihnen noch verbliebenen Beschlusszuständigkeiten und das Anhörungsrecht. Die Kreisverwaltungsgerichte wurden aufgehoben. Ab 1940 hatte der Landrat auch in seiner Eigenschaft als Leiter der Selbstverwaltung die Bezeichnung „Der Landrat des Kreises“ zu führen. In der Geschäftsverteilung blieb der Unterschied zwischen staatlicher und kommunaler Verwaltung auf der Kreisebene aber gewahrt. Ansätze zu einer Verschmelzung in den letzten Kriegsjahren gelangten nicht mehr zur Ausführung.
Mit dem Ende des Krieges 1945 hörten die Landratsämter in ihrer bisherigen Form auf zu bestehen. An ihre Stelle traten neue Kreisverwaltungen als „demokratische“ Selbstverwaltungsorgane (vgl. Rep. 250 Landratsämter). Die Grenzen der alten Kreise blieben zunächst weitgehend bis 1950 erhalten. Der eigentliche Umbruch erfolgte erst mit der Verwaltungsreform von 1952, die die Landräte durch Räte der Kreise ersetzte und territorial grundsätzlich neue Kreise bildete.

Allgemeine Bestandsgeschichte

Die brandenburgischen Landratsämter und der größte Teil der Kreisausschüsse hatten vor dem Zweiten Weltkrieg in unterschiedlichem Umfang Teile ihrer Registraturen an das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem abgegeben, wo sie als Reposituren Pr. Br. Rep. 6B und 6C aufgestellt wurden. Durch Kriegseinwirkungen gingen dort die Bestände der Kreisausschüsse zu 95 Prozent verloren, der Rest verblieb im Geheimen Staatsarchiv. Die Bestände der Landratsämter wurden zu 5 Prozent ebenfalls vernichtet, etwa 20 Prozent verblieben im Geheimen Staatsarchiv. Der Hauptteil wurde jedoch im Kriege noch ausgelagert und kam 1950 in das BLHA, wo als Ergebnis der unverzüglich aufgenommenen Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten für alle Bestände zunächst Findkarteien und dann Findbücher den Zugang zu allen Beständen ermöglichten.
In den Jahren 1952 bis 1963 wurden zur Ergänzung dieser Bestände aus den Verwaltungsarchiven der Räte der Kreise sämtliche noch erhaltenen, bis zum Jahre 1945 reichenden Registraturteile der Landratsämter und Kreisausschüsse vom BLHA übernommen und anschließend geordnet und verzeichnet. Durch die Stellung der Landräte als geschäftsführende Vorsitzende der Kreisausschüsse bedingt, waren in den letzten Jahrzehnten ihres Bestehens die Registraturen beider Behörden nicht immer klar voneinander abgegrenzt worden. Die Vermischung des Schriftgutes von Landratsamt und Kreisausschuss reichte dabei z. T. bis in den einzelnen Aktenband. 1965 wurden daher beide Bestandsgruppen sowie die vereinzelt erhalten gebliebenen Akten der Kreiskommunalkassen und Versicherungsämter zu Gesamtbeständen Rep. 6B Kreisverwaltungen vereinigt und nach einem bereits in anderen Archiven für gleichartige Bestände verwendeten einheitlichen Gliederungsschema (Generalklassifikation) neu geordnet. Die Vereinigung der Überlieferung von Landratsamt und Kreisausschuss zu einem Gesamtbestand unterblieb nur für die Bestände, von denen bereits ältere Findbücher vorlagen.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=1559724
 
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