16 Hammerschmidt; Rep. 16 Nachlass Rechtsanwälte Hammerschmidt; 1895-1943 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 16 Nachlass Rechtsanwälte Hammerschmidt
Dat. - Findbuch:1895 - 1943
Vorwort:Registraturbildnergeschichte

Im Jahr 1886 ließ sich Ludwig Abraham Hammerschmidt als junger Anwalt mit seiner Familie in Cottbus in der Bahnhofstraße 62 nieder und richtete hier eine Anwaltskanzlei ein. Nach nur wenigen Jahren entwickelte sich seine Kanzlei zu einer der bedeutendsten in Cottbus. Die nur wenigen überlieferten Akten aus der Zeit Ludwig Abrahams Tätigkeit beweisen, dass seine Kanzlei bereits damals eine regionale Bedeutung erlangte. Viele Handwerker, Gewerbetreibende und Bauern aus den umliegenden Landkreisen gehörten zu seinen Mandanten. Um 1900 erweiterte sich die Kanzlei um das Notariat. Am 5. August 1905 wurde Ludwig Abraham der Titel Preußischer Justizrat verliehen. Ludwig Abraham Hammerschmidt starb am 15. Februar 1934.
Seine vier Söhne Hermann, Hans, Walter und Fritz studierten ebenso wie der Vater Jura. Hermann trat 1910 in die väterliche Kanzlei ein, sein Bruder Hans folgte ihm wenige Jahre später. Walter und Fritz arbeiteten als Anwalt in Berlin. Walter musste seine Anwaltstätigkeit bereits 1933 in Berlin wieder aufgeben. Fritz arbeitete bis November 1938 als Anwalt in Berlin.
Trotz seiner jüdischen Abstammung hatte Hermann bis in die Mitte der dreißiger Jahre Mandanten aus allen gesellschaftlichen Kreisen, aber insbesondere Handwerker und Händler. Dies hatte sich auch 1933 nicht geändert als er auf Grund gesetzlicher Regelungen seiner Tätigkeit als Notar nicht mehr nachgehen durfte. Erst unmittelbar nach der Pogromnacht vollzog sich eine Wende. Jüdische Anwälte wurden aus der Anwaltskammer ausgeschlossen und durften als Anwälte nicht mehr tätig werden. In einigen Aktenvorgängen sind Schreiben enthalten, in denen „arische“ Mandanten mitteilen, dass sie sich niemals von Hammerschmidt hätten vertreten lassen, wenn sie von seiner jüdischen Abstammung gewusst hätten.
In der Pogromnacht wurde die Kanzlei verwüstet. Hermann wurde in der Pogromnacht verhaftet. Wie allen jüdischen Anwälten, so wurde auch ihm die Zulassung als Anwalt per Gesetz entzogen. Ab dem 4. Januar 1939 nahm er seine Tätigkeit als Rechtskonsulent, zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden, in seinem Wohnhaus in der Seminarstraße auf.
Aus den Vorgängen ab Ende 1938 ist zu ersehen, dass viele „arische“ Bürger ab sofort ihre Ratenzahlungen gegenüber jüdischen Händlern einstellten, auch Mieten an jüdische Hausbesitzer wurden nicht mehr bezahlt. Alle Prozesse gegen die arischen Schuldner gingen zu Gunsten der Juden aus. Hintergrund dieser Prozessausgänge war lediglich das Interesse des Deutschen Reiches an dem Vermögen der Juden.
Mit der Datierung November 1938 finden sich in den überlieferten Akten eine Reihe von Entlassungsgesuchen an die GESTAPO zur Entlassung von Familienangehörigen jüdischer Familien, die im Zusammenhang mit der Pogromnacht in Konzentrationslager verbracht worden waren.
Aus den Akten ist auch zu erkennen, dass ab etwa 1937 zumindest in Cottbus und Umgebung eine verstärkte Auswanderungswelle der Juden einsetzt. Für viele der aus dem Deutschen Reich 1938 ausgewiesenen polnischen Juden, der ausgewanderten und deportierten Juden muss Hammerschmidt in seiner Tätigkeit als Rechtskonsulent die Vermögensverwaltung und –abwicklung wahrnehmen.
Hammerschmidt muss oft der Verzweiflung nahe gewesen sein. Davon zeugen vor allem Aktenvorgänge, deren Laufzeit bis in die vierziger Jahre hineinreicht. Diese sind oft zerrissen.
Fritz Hammerschmidt war bis November 1938 in Berlin als Anwalt tätig.
Von den vier Söhnen überlebte nur Hans die Nazizeit. Nach seiner Internierung in Cuba gelang es ihm mit Hilfe einer jüdischen Organisation im Jahre 1939 nach Ecuador zu emigrieren. Seine Kinder hatten sich bereits vor 1939 nach England retten können. Walter verstarb am Januar 1939 nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen an den Folgen der Misshandlungen. Fritz wurde mit seinem Sohn Anselm im Lager Auschwitz ermordet. Hermann Hammerschmidt wurde Ende 1944 in das Lager Schwetig bei Frankfurt (Oder) deportiert und dort ermordet.
Hermanns Frau lebte bis zu ihrem Tod 1986 in dem Haus in der Seminarstraße.


Bestandsgeschichte

Auf Weisung der Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Cottbus, Frau Irma Uschkamp, erfolgte im Jahre 1986 die Rückübertragung des Grundstückes Seminarstraße 35 an die Familie Hammerschmidt. Unmittelbar danach erhielt das Stadtarchiv Cottbus vom damaligen Notar Achim Behle eine Information, dass sich in der Villa noch Unterlagen der früheren Anwaltskanzlei Rechtsanwälte und Notare Justizrat Ludwig Abraham Hammerschmidt befinden. Herr Behle hatte durch Herrn Buchan davon Kenntnis erlangt. Herr Buchan hatte in diesem Grundstück nach 1945 seinen Wohnsitz, war aber bereits während seiner Gymnasialzeit bei Hammerschmidts Untermieter. Durch das Stadtarchiv Cottbus erfolgten sofort Schritte zur Übernahme des Bestandes.
Nach einer ersten Sichtung stand fest, dass eine Bearbeitung zurzeit durch das Stadtarchiv vorerst nicht zu leisten ist. In Vorbereitung der 50. Wiederkehr der Pogromnacht und der damit im Zusammenhang stehenden Gedenkveranstaltungen erfolgte eine teilweise Nutzung zur Erarbeitung eines Lichtbildervortrages mit dem Titel „Die Verfolgung der Cottbuser Juden während der Nazizeit“. Mit der politischen Wende im Jahr 1989 ergab sich als Folge für diesen Bestand eine völlig neue Rechtssituation. Da bis zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten rechtlichen Festlegungen bzw. Vereinbarungen zwischen der Familie Hammerschmidt und dem Cottbuser Stadtarchiv erfolgten, musste dieser Bestand nunmehr wieder als Eigentum der Familie Hammerschmidt angesehen werden, zumal in den Folgejahren auch die Claims Conferenz rechtliche Ansprüche geltend machte. Mit den Erben der Familie Hammerschmidt wurden Verhandlungen mit dem Ziel aufgenommen, diesen Bestand weiterhin im Stadtarchiv zu belassen. Im Jahre 2002 konnte dann ein entsprechender Vertrag mit den Erben der Familie abgeschlossen werden. In diesem Depositalvertrag ist auch festgelegt, dass für die Benutzung der privaten Korrespondenz die schriftliche Genehmigung der Depositars erforderlich ist. Dies umfasst die Akten Nr. 598 - 628. Ansonsten steht der Bestand vor allem für die wissenschaftliche Forschung uneingeschränkt zur Verfügung.
Für die Erarbeitung einer Publikation bedarf es ebenfalls einer schriftlichen Genehmigung des Depositars.
2010 wurde der Bestand dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv seitens der Stadt Cottbus angeboten, da man im Zuge der Bearbeitung dessen überregionale Bedeutung feststellte. Nach Verhandlungen mit den Erben der Familie Hammerschmidt erfolgte 2014 eine entsprechende Neufassung des Depositalvertrages.

Angaben zum Umfang

Umfang:8,14 lfm

Angaben zur Benutzung

Zitierweise:BLHA, Rep. 16 Nachlass Rechtsanwälte Hammerschmidt
Benutzungsbeschränkung:Die Akten Nr. 598 - 628 bedürfen der vorherigen schriftlichen Genehmigung durch den Depositar. Gleiches gilt für eine beabsichtigte Veröffentlichung.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=1793134
 
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