75 HutSteinberg; Rep. 75 Steinberg & Co., Hutfabrik Luckenwalde; 1918-1956 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 75 Steinberg & Co., Hutfabrik Luckenwalde
Dat. - Findbuch:1918 - 1956
Vorwort:Firmengeschichte

Friedrich Steinberg, Meister des Tuchhandwerkes, gründete 1844 unter seinem Namen eine Firma zur Produktion von Tüchern in der Treuenbrietzener Straße in Luckenwalde. Die Produkte gelangten bald zu Weltruhm und wurden auf den Weltmessen in Paris, Brüssel, Wien und Dresden mehrfach ausgezeichnet. 1874 übernahmen die Söhne Friedrich Steinbergs, Hermann, Robert und Albert die Fabrik, in der sie ab 1883 zusätzlich Wollhüte fabrizierten. In Folge eines Brandes 1893 stellten sie die Tuchfabrikation ein und spezialisierten sich auf die Herstellung von Hüten. Nach dem Ausscheiden von Albert Steinberg übernahmen Robert und Felix Steinberg die Firma und produzierten dort ab 1911 Haarhüte.
Während es 1. Weltkrieges lag die Prodution still, da Robert jun. und Felix Steinberg an der Front waren und Robert sen. aus Altersgründen den Betrieb nicht alleine fortführen konnte.
1883 zogen die jüdischen Brüder Moritz und Salomon Hermann nach Luckenwalde und gründeten dort eine Hutfabrik unter dem Namen "Hermann & Co". Da die beiden Fabriken den gleichen Kundenstamm hatten und die gleichen Artikel produzierten, schlossen sie sich zunächst zu einer offenen Handelsgesellschaft zusammen. 1922 fusionierten sie zu einer Aktiengesellschaft namens "Cappelificio Friedrich Steinberg, Gustav Hermann & Co". Die Aktiengesellschaft hatte ein Vermögen von 1 500 000 Reichsmark (1 500 Aktien a 1 000 Reichsmark). Der Aufsichtsrat der Gesellschaft setzte sich aus Robert Steinberg sen., Max Grundow, Ernst Gumpert, Oscar Netter und S. Hermann (gest. 1929) zusammen. Inhaber des Unternehmens waren Felix und Robert Steinberg jun., Gustav Hermann und Felix Wülfing. 1934 verkauften die Erben des 1932 verstorbenen Gustav Hermann ihre Anteile an die Firma und die Privatpersonen Felix, Robert und Werner Steinberg.
Am 14. 6. 1935 wechselte die Rechtsform erneut in eine offene Handelsgesellschaft (oHG). Gesellschafter der Firma waren Felix und Robert Steinberg, Felix Wülfing und Paul Martin, der die oHG leitete. Nach Ausscheiden der Gruppe Hermann beantragte die Firma die Umbenennung in "Friedrich Steinberg". Da nach § 19 des Handelsgesetzbuches bei Handelsgesellschaften ein oder mehrere Namen von Gesellschaftern im Firmennamen kenntlich gemacht werden müssen, erfolgte die Umbenennung in "Friedrich Steinberg & Co".
Die Firma Steinberg & Co war mit 50 % am Kapital der 2. Hutfabrik Luckenwalde, der Firma Schreiber & Co beteiligt. Die 4 Gesellschafter hatten an beiden Firmen Anteile.
Zusammen mit der Hutfabrik Heinrich Bock AG erwarb die Firma Steinberg & Co von Anton Fischer (bzw. der in Liquidation befindlichen Firma) die Rechte, die bisher geschützten Marken zu produzieren, zu verkaufen und eine Gesellschaft unter dem Namen "Anton Fischer GmbH" zu gründen. Steinberg & Co erwarb die Rechte für Wollprodukte, die Firma Heinrich Boch AG für Haar- und Velourhüte. Die Gesellschaft wurde 1932 mit einem Kapital von 50 000 Reichsmark gegründet. Robert Gans war einziger Vertreter der Gesellschaft. Die beiden beteiligten Firmen übertrugen ihm den alleinigen Verkauf für ihre Produkte. Sie mußten der Gesellschaft die billigsten Preise machen und die Aufträge bevorzugt bearbeiten. Die "Anton Fischer GmbH" verkaufte die Hüte mit einem Aufschlag von maximal 15 %. Verkaufsgrundlage waren die Bedingungen des Zentralvereins der Hutfabrikanten Deutschlands e. V., Berlin. Der Vertrag wurde für unbegrenzte Zeit abgeschlossen.
Die Pläne für das Fabrikgebäude auf dem von der Stadt Luckenwalde zur Verfügung gestellten Industriegeläne entwarf der Architekt Erich Mendelsohn. Der Bau entstand in den Jahren 1921 - 1923. Die Fabrik bestand aus Verwaltungstrakt, 4 Fabrikationshallen, Kraftstation und Färberei. Sie hatte die Form eines Hutes sowie die Maße eines Wohnhauses und war neues Wahrzeichen der Stadt. Durch die Installation einer Lüftungsanlage für die Färberei und die Trocknung schuf der Architekt bessere Arbeitsbedingungen für die Hutmacher.
Im Werk auf dem Industriegelände erfolgte die Produktion der Stumpen (kegelförmige Rohform aus Stroh- oder Filzgeflecht) von Woll- und Haarhüten. Die Weiterverarbeitung zu Damen-, Herren- und Kinderhüten geschah in den Stammfabriken in der Treuenbrietzener Straße und Potsdamer Straße.
Am 4.3.1993 verursachte ein Brand im Neubau auf dem Industriegeläne einen Schaden an Materialien, Maschinen und Hüten im Wert von 151 000 - 170 000 Reichsmark. Den Arbeitnehmern entstand ein Schaden an persönlichen Gegenständen und Arbeitsmaterialien von 1776,68 Reichsmark. Der Betrieb wurde in der alten Fabrik in der Teuenbrietzener Straße fortgeführt.
In den 30ger Jahren beschäftigte die Hutfabrik zwischen 655 und 920 Arbeitnehmer. Die Belegschaft setzte sich aus Arbeitern, Gesellen sowie kaufmännischen und technischen Angestellten zusammen.
Steinberg & Co hatte Handelsbeziehungen zu Firmen in Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa. Der Anteil am Gesamtgewinn, der 1931 teilweise mehr als 50 % betrug, ging zwischen 1934 und 1935 aufgrund von Währungsschwankungen auf bis zu 15 % zurück, so dass sich die wirtschaftliche Lage von Steinberg & Co verschlechterte. 1935 verkaufte die Firma das Industriegelände für 600 000 Reichsmark an die Firma "Solo Fabrikations- und Vertriebsgesellschaft für technische Erzeugnisse". Dadurch erhoffte sich die Firma eine Stärkung der Produktionsmittel, was jedoch nicht geschah. Im Gegenzug erwarb Steinberg & Co ein Grundstück in der Dahmerstraße für 75 000 Reichsmark. Das Grundstück hatte eine Größe von 4 600 m². Dort befanden sich auch Wohnhäuser. Um die gleiche Anzahl von Leuten beschäftigen zu können, mußten auf den Grundstücken an der Dahmer und Treuenbrietzener Straße Umbaumaßnahmen vorgenommen werden. Das Grundstück Treuenbrietzener Straße hatte eine Größe von 13 000 m² im Wert von 95 000 Reichsmark.
Ein weiteres großes Grundstück war an der Potsdamer- und Schützenstraße mit einer Gesamtfläche von 15 000 m² im Wert von 15 000 Reichsmark. Dort lagerten die nicht im Betrieb befindlichen Maschinen und Betriebsteile.
Im Laufe der Jahre verkaufte die Firme eine Reihe von kleineren Grundstücken, die bei der Fusion durch die Firma "Hermann & Co" mit eingebracht worden waren, und durch Erbschaft erworbene Gärten.
Die Firma Steinberg & Co war Mitglied im Zentralverein der Hutfabrikanten Deutschlands e. V., Berlin. Felix Steinberg leitete als Vorsitzender den Zentralverein sowie die Fachgruppe Filzhutindustrie.
Paul Martin war im Beirat der Industrie- und Handelskammer, Berlin, in der Prüfungskommission für die Kaufmannsgesellenprüfung und ab 1938 in der Arbeitskammer des Gaus Kurmark.
1940 richtete die Firma eine Pensions- und Unterstützungskasse ein und ließ sie als "Unterstützungskasse e. V." beim Amtsgericht Luckenwalde eintragen. Sie diente der Gesunderhaltung und Unterstützung hilfsbedürftiger Bertriebsangehöriger. Vereinsmitglieder waren im Betreib Beschäftigte und ehemalige Mitarbeiter, die bei Einrichtung der Kasse pensionsberechtigt waren. Die kostenlose Mitgliedschaft begann bei Eintritt in die Firma und endete mit dem Tod bzw. bei früherem Ausscheiden. Das Vermögen der Einrichtung entstand durch Zuwendungen der Firma.
Leistungsempfänger waren Mitglieder mit einem Einkommen bis zu 6 000 Reichsmark und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren. Die Unterstützungskasse zahlte Pensionen (3 000 Reichsmark jährlich), Witwen- und Waisengeld (2 000 Reichsmark), Invalidenpensionen im Falle Arbeitsunfähigkeit, Sterbegeld (je 500 Reichsmark) und Sonderzuwendungen zu Weihnachten. Leistungen aus den Sozialkassen blieben unberücksichtigt.
Im 2. Weltkrieg beschäftigte Steinberg & Co Kriegsgefangene und polnische Zivilarbeiter. 1943 arbeiteten 201 Menschen in der Fabrik.
1942 fällt Paul Martin an der Ostfront.
Im Krieg mußte auch die Firma Steinberg & Co wehrwirtschaftliche Aufgaben erfüllen. Die Rüstungsinspektion III, Berlin befahl Steinberg & Co 1 000 m² des Fabrikationsraumes an die Firma "Walter Seelig, Mechanische Werkstätten" abzugeben. Die abzugebende Fläche entsprach 1/5 des gesamten Fabrikationsraumes. Die dort vorhandenen Maschinen mußten abmontiert und abtransportiert werden.
Nach dem Krieg leistete Steinberg & Co Reparationen an die UdSSR in Form von Hutlieferungen. 1948 wurde Max Hund durch die Kreiskommission für Sequestierung zum Treuhänder für die Firma eingestzt. Auf Anordnung der Vereinigung volkseigener Betriebe Pelz, Leipzig wurden die Eigentümer der Firma enteignet. Der neue Firmenname lautete "Luckenwalder Hutfabrik". Da die Vereinigung volkseigener Betriebe Pelz, Leipzig die Pensionskasse als Scheinkasse ansah, stellte sie die Zahlungen von Pensionen ein.
Rechtsnachfolger von Steinberg & Co wurde der VEB Luckenwalder Hutfabrik.

Bestandsgeschichte

Das Schriftgut der Firma Friedrich Steinberg & Co, das sich beim VEB Hutmoden Luckenwalde befand, wurde 1985 vom Textikombinat Cottbus an das Staatsarchiv Potsdam übergeben und 2000 verzeichnet. Die wenigen Akten des VEB Luckenwalder Hutfabrik verblieben beim Bestand und bilden einen eigenständigen Klassifikationspunkt. Unterlagen der Fa. Schreiber & Co wurden herausgenommen und als eigenständiger Bestand verzeichnet.

Angaben zum Umfang

Umfang:9,80 lfm; 182 Akte(n)

Angaben zur Benutzung

Zitierweise:BLHA, Rep. 75 Hutfabrik Friedrich Steinberg & Co, Luckenwalde Nr.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=51462
 
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