4A Kurmärkisches Kammergericht; Rep. 4A Kurmärkisches Kammergericht; 1502-1914 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 4A Kurmärkisches Kammergericht
Dat. - Findbuch:1502 - 1938
Vorwort:Behördengeschichte

Das kurmärkische „Kammergericht", unter diesem Namen seit 1468 nachweisbar, wurde in der ersten Hälfte des 16. Jh. zum obersten Gerichtshof des Kurstaates ausgebaut. Grundlage dafür bildete die Übernahme des Römischen Rechts als Landesrecht in Brandenburg, die mit der Kammergerichtsordnung von 1516 erfolgte. Noch unterlag das Gericht starkem ständischen Einfluss (4 kurfürstliche, 8 ständische Beisitzer) und tagte wie die Quartalgerichte. Es stand neben den Landgerichten und dem Hofgericht als erste Instanz für die vom Gerichtsstand vor den Landgerichten ausgenommen Personen (Eximierten), v.a. den Hof- und gutsbesitzenden Adel, und nur in den Fällen als oberstes Gericht über den Landgerichten, wenn diese Recht verzögerten oder verweigerten. Mit Hilfe des Römischen Rechts wurde der Kompetenzbereich der Landgerichte weiter eingeschränkt, gleichzeitig der Kreis der Eximierten vom Kurfürsten ständig vergrößert, da er dem Adel als stärksten Stand im Lande, entgegenkommen musste, und schließlich das Hofgericht dem Kammergericht eingeordnet. Diese Entwicklung gipfelte in der Kammergerichtsreformation von 1540, wonach unter Ausschluss der ständischen Beisitzer nur noch gelehrte Juristen als „verordnete Kammergerichtsräte" Recht sprachen. Das Kammergericht war nun ausschließlich landesherrliches Obergericht. Mit der Einführung der Reformation in der Kurmark im Jahre 1539 und dem Übergang der geistlichen Gerichtsbarkeit auf den Kurfürsten wurde das Kammergericht zugleich Spruchbehörde in Kirche und Geistlichkeit betreffenden Streitfällen. Seit 1543 entstand innerhalb des Gerichts das Cöllnische Konsistorium, das sich schließlich 1573 verselbständigte und allein die geistliche Gerichtsbarkeit wahrnahm (vgl. Rep. 40A Konsistorium). Dieser Ressorttrennung war bereits eine andere vorausgegangen. Durch die „Ordnung der Räte im Kammergericht" von 1562 hatte sich das Gericht aus der allgemeinen Hof-Ordnung gelöst, die bisher noch alle territorialstaatlichen Geschäfte geregelt hatte. Das Gericht erhielt eine eigene Kanzlei. 1553 war in der Neumark unter der Regierung des Markgrafen Johann von Küstrin das neumärkische Kammergericht geschaffen worden, das auf Betreiben der neumärkischen Stände nach dem Rückfall der Neumark an die Kurmark 1571 als „Regierung" fortbestand (vgl. Rep. 4B Neumärkische Regierung/Oberlandesgericht) und den Kompetenzbereich des Berliner Kammergerichts noch Jahrhunderte innerhalb der Mark Brandenburg auf die Kurmark beschränkte. Auch die im Laufe des 17. Jh. hinzuerworbenen Gebietsteile Brandenburg-Preußens behielten ihre eigene Justizverfassung. Seit dem Ende des 17. Jh. schob sich als oberste Justizbehörde für Brandenburg-Preußen der Geheime Justizrat über das Kammergericht und die anderen regionalen Gerichtsbehörden. Er übernahm 1703 die Aufgaben des neugebildeten Oberappellationsgerichts. Durch die Reformen des Großkanzlers von Cocceji wurde das Kammergericht 1748 zugleich oberster Gerichtshof für die Mehrzahl der brandenburg-preußischen Staaten und obere Gerichtsbehörde der Kurmark. Die Justizreformen des Großkanzlers von Carmer hoben diese Doppelstellung jedoch 1782 wieder auf. Zwei Senate des Kammergerichts bearbeiteten fortan in erster Linie die kurmärkischen Justizsachen, in erster Instanz für die Exemierten, in zweiter Instanz für die vor den zuständigen Untergerichten Klagenden oder Beklagten. Für besondere Geschäfte fungierten als Deputationen des Kammergerichts das Pupillenkollegium (Vormundschaftssachen), das Hausvogteigericht, die Kriminaldeputation und die Immediatkriminalkommission für Berlin und Umgebung unter dem Vorsitz des Hausvogtes. Außerdem waren dem Kammergericht durch besondere Bestimmungen zusätzliche Aufgaben übertragen wie die Bearbeitung der Rechtssachen bestimmter privilegierter Personen, die Jurisdiktion auf dem Berliner Schloss und über bestimmte Grundstücke in der Residenz, über die Berliner Schutzjuden, die Lehnssachen von Ravensberg u. a. außerkurmärkische Angelegenheiten. Von 1810 an führte das Kammergericht die restlichen Geschäfte der aufgehobenen Kurmärkischen Lehnskanzlei (vgl. Rep. 78) fort und in der gleichen Zeit bis 1849 die Bearbeitung des ritterschaftlichen Grundbuchwesens, das bis dahin den Ritterschaftlichen Hypothekendirektionen (vgl. Rep. 23A RHD und Rep. 23B RHD) obgelegen hatte. Mit der Aufhebung des eximierten Gerichtsstandes im Jahre 1849 wurde das Kammergericht ausschließlich oberes Landesgericht im Bereich der Regierung Potsdam und im Bereich des Polizeipräsidiums Berlin, erst seit 1879 Oberlandesgericht für die ganze Mark Brandenburg. Daneben führte es auftragsweise vor allem die politischen Prozesse für ganz Preußen. Die Epoche des Kammergerichts als kurmärkische Regionalbehörde endete mit der Justizreform im Jahre 1849.

Bestandsgeschichte

Die vom Kammergericht vor 1945 an das Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem abgelieferten Registraturteile wurden teils im Bestand I. HA, Rep. 97 Kammergericht, teils im Provinzialarchiv unter der Signatur X. HA., Pr.Br.Rep. 4A Kammergericht aufgestellt. Während des 2. Weltkriegs wurden die Rep. 97 vollständig und von der Rep. 4A nur Teile nach Mitteldeutschland ausgelagert. Die im Dienstgebäude des Geheimen Staatsarchives verbliebenen Archivalien des Kammergerichts sind beim Magazinbrand 1945 zu ca. 50% vernichtet worden. Einen Überblick über den Vorkriegsbestand gibt Reinhard Lüdicke: Übersicht über die Bestände des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin-Dahlem, 3. Teil, Berlin 1939, S. 24ff. Erhalten blieben in Dahlem Reste der Organisations- und Personal-, Hypotheken-, Vormundschafts-, Nachlass- und Stiftungsakten. Die ausgelagerten Akten gelangten nach dem Krieg in das Deutsche Zentralarchiv, Abt. Merseburg. Im Rahmen einer Bestandsabgrenzung zwischen Merseburg und dem BLHA wurden die verwahrten Sentenzenbücher und die Testamentsakten des Kammergerichts 1962/63 an das BLHA abgegeben und letztere dort einfach verzeichnet. Die darüber hinaus erhaltenen Akten über politische Prozesse verblieben im Deutschen Zentralarchiv, da sie Schriftgut des Kammergerichts als preußischer Staatsgerichtshof sind. Sie befinden sich heute wieder im Geheimen Staatsarchiv und sind mit den Resten der Rep. 4A seit 2011 im Bestand I. HA, Rep. 97 Kammergericht zusammengefasst.

Weiteren Zuwachs erhielt der Potsdamer Bestand durch Provenienztrennung, u.a. aus: Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer, Rep. 5A-C Gerichte, Rep. 24 Generalkommission und Rep. 78 Lehnskanzlei. Dagegen wurden Lehnsakten der Lehnskanzlei, die an das Kammergericht gelangt waren, der Rep. 78 zugewiesen. Akten der Verwaltung des Familienstipendiums v. Börstell wurden 1993 an die Berliner Senatsverwaltung abgegeben.Die Akten schließen mit wenigen Ausnahmen vor 1849. Aus der Zeit von 1849-1945 sind im wesentlichen nur Justizpersonalakten vorhanden, die in der Tektonik des BLHA einen eigenen Bestand bilden (vgl. 2.4.1 Gerichte).

Der Bestand Rep. 4A Kammergericht umfasst folgende Strukturteile:

- Rep. 4A (Restakten aus verschiedenen Bereichen der Kammergerichtsjustiz), 310 Akten, 1502-1914,
- Rep. 4A Sentenzenbücher (Urteile der Kammergerichtssenate), 698 Amtsbücher, 1540-1824 und
- Rep. 4A Testamente (Nachlassangelegenheiten von Personen, die der Gerichtsbarkeit des Kammergerichts unterstanden), 20.830 Akten, 1606-1904.

Literatur

Friedrich Holtze, Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen, Bd. 1-4, Berlin 1890-1904 (= Beiträge zur Brandenburg-Preußischen Rechtsgeschichte; 1, 2, 5, 6). - Otto Hintze, Ratstube und Kammergericht in Brandenburg, in: FBPG 24 (1911), S. 1-84. – Erik Amburger, Das Kammergericht und seine Präsidenten, Berlin 1955. - Hans Saring, Die Mitglieder des Kammergerichts unter dem Großen Kurfürsten, in: FBPG 54 (1942/43), S. 69-114, 217-256. - Joachim Steinbeck: Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis. Sentenzen des preußischen Kammergerichtses von 1794 bis 1803 (= Schriften zur Preußischen Rechtsgeschichte 1), 2 Bände, Frankfurt am Main 2004.
Nachfolger:BLHA, Rep. 4A Kammergericht Berlin (siehe unter 2. Provinz Brandenburg 1806/16-1945: 4. Justizbehörden: 1. Gerichte)
Verweis:Geheimes Staatsarchiv PK, I. HA., Rep. 97 Kammergericht
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=1544645
 
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