910 Glas Annah; Rep. 910 VEB Glaswerk Annahütte; 1943-1995 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 910 VEB Glaswerk Annahütte
Dat. - Findbuch:1943 - 1995
Vorwort:Betriebsgeschichte

Der Betrieb wurde 1863 unter dem Namen Emilienhütte, benannt nach der in unmittelbarer Nähe befindlichen Grube "Emilie", gegründet. Besitzer waren der Mühlenbesitzer Krettnauer und der Kaufmann Zapp. Die Entwicklung der Glashütte war eng verbunden mit der Entwicklung des sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Braunkohlentagebaues; die Emilienhütte war die Hauptabnehmerin der im Tagebau gewonnen Kohle.

Im Jahr 1865 wurde die Emilienhütte durch den Bau eines neuen Glasofens erweitert. 1874 wurde sie an Major a. D. Georg von Görne verkauft, der die Glashütte nach dem Namen seiner Frau in Annahütte umbenannte. Wiederum 10 Jahre später wechselte der Besitz der Glashütte sowie der Grube "von Goerne I/II" (später Grube Heye I/II) in die Hände des Geheimen Kommerzienrates F. C. Th. Heye. Die bis dahin bescheidene Produktion an nur einem Glasofen änderte sich mit dem Betriebswechsel schlagartig. Ab 1884 wurde im nördlichen Bereich des Betriebsgeländes eine neue Glashütte mit 4 Hafenöfen errichtet. Daneben war der Hütte ein ausgedehnter Schleifereibetrieb angegliedert. 1888 wurde die Brikettfabrik Heye in Betrieb genommen. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte kein Abbau mehr unter dem Glashüttengelände. Der Betrieb der Ziegelei wurde im Jahr 1904 eingestellt. Das Braunkohlenwerk und die Glasfabrik blieben bis zum Jahr 1916 in Familienbesitz von F. C. Th. Heye (Rechtsform OHG). In diesem Jahr erfolgte die Trennung des BKW von der Glashütte. Das BKW wurde eine GmbH (Fa. F. C. Th. Heye Braunkohlenwerke GmbH). Der bisherige Mitgesellschafter Friedrich Karl Hermann Heye in Hamburg setzte als alleiniger Inhaber der Glashütte das Geschäft unter veränderter Firmenbezeichnung fort. Erst 1937 erfolgte die Umschreibung im Handelsregister: H. Heye, Glasfabrik, Hauptniederlassung in Schauenstein, Zweigniederlassung in Annahütte. 1939 ging die Firma nach dem Tod des Inhabers auf dessen Witwe Elisabeth Heye geb. Thomson über.

Die Produktion wurde bis 1928 ständig erweitert, so dass sich das Glaswerk Heye mit der Produktion von Wirtschafts- und Behälterglas wie Likörgläsern, Karaffen, Groggläsern, Bierbechern, Sektkelchen zu einem der führenden Glasbetriebe Deutschlands entwickelte. Als weiteres Standbein kann die Herstellung von Bleikristall seit 1922 nachgewiesen werden. Der Export erfolgte in dieser Zeit hauptsächlich nach China, Amerika, Großbritannien und seine Kolonien.
Bis zu Beginn der 40er Jahre blieb die Produktion auf 4 Hafenöfen beschränkt. Sie bestand aus einem umfangreichen Sortiment an Wirtschaftsglas-, Bleiglas- und Behälterglasartikeln. 1942/43 kam es zur ersten Teil-Umstellung von der manuellen Produktion zur maschinellen Fertigung. Anstelle von 2 Hafenöfen wurden 2 kontinuierliche Durchlaufwannen, an denen abwechselnd mit halb- und vollautomatischen Maschinen gearbeitet werden konnte, gebaut. Es wurden kriegswirtschaftlich wichtige Dinge, wie Konservengläser sowie Behälterglas, Bleikristall, Schleifglas, Pressglas, sanitäres Hohlglas und Montageglas hergestellt.

Nach Kriegsende kam es zu einer 2-monatigen Produktionsunterbrechung. Es wurde kurzzeitig die Produktion von Fensterglas aufgenommen, um die entstandenen Kriegsschäden beseitigen zu können. Infolge des akuten Mangels an Arbeitskräften (205 Beschäftigte), besonders an Facharbeitern, konnte die Kapazität des Betriebes jedoch in jenem Jahr (1945) nur zu 25-30 % ausgelastet werden. Von den in der Hütte befindlichen 2 Hafenöfen und 2 Wannenöfen war nur je 1 in Betrieb. Die um die Hütte herum befindliche Grube Annahütte war 1942 an die Anhaltinischen Kohlenwerke verkauft worden. Nach dem II. Weltkrieg wurde die Grube demontiert, so dass es jetzt zu Problemen mit der Kohleversorgung kam. Die Anlieferung erfolgte jetzt auf dem Schienenweg.

Durch die SMAD wurde das gesamte Vermögen der Fa. H. Heye, Glasfabrik Annahütte gemäß Befehl 124 beschlagnahmt und später auf der Grundlage des Befehls 64 enteignet (Enteignungsurkunde vom 19.7.1948). Zunächst (1948) erfolgte eine Unterstellung unter die VVB (Vereinigung Volkseigener Betriebe des Landes Brandenburg) Glas-Keramik Eichwalde. Später erfolgte eine Eingliederung in die VVB (Z) Ostglas, per 1.1.1951 in die VVB (Z) Mittelglas, ab 1952 in die VVB (Z) der Glasindustrie Ost, 1954 in die VVB (Z) Glas, 1955 in die VVB IZL (Industriezweigleitung) Glas.

Ab 1946 ist die Herstellung von gepresstem Wirtschaftsglas (Schalen, Teller, Becher, Butter- und Zuckerdosen, Trinkgläser), von Verpackungs- und Behälterglas (Flaschen, Dosen und Konservengläser), von veredeltem Wirtschaftsglas (Teller, Schalen, Vasen, Krüge, Becher) sowie von Bleikristall (Vasen, Schalen, Trinkgläser, Karaffen, Bier-, Likör- und Weinbecher) nachweisbar. Teilweise wurde auch technisches Glas wie Urinflaschen produziert. Hauptabsatzgebiet war die SBZ, Exportaufträge wurden im Rahmen der Reparations-lieferungen sowie nach England realisiert. Bis 1947 konnte die Beschäftigtenzahl auf 410 gesteigert werden, 1949 werden 511 Belegschaftsmitglieder erwähnt.

In den Jahren nach der Gründung der DDR konnte die Produktion beträchtlich gesteigert werden. Eine Erweiterung des Werkes wurde jedoch nicht durchgeführt, da erst für die 80er, später für die 90er Jahre geplant war, Ort und Betrieb in den Braunkohlenbergbau einzubeziehen. Dennoch wurde 1965 erstmals in der DDR eine Bleiglaswanne für die kontinuierliche manuelle Produktion anstelle des bisherigen Hafenofens gebaut. Alle Schmelzaggregate wurden von der Generatorengasbeheizung auf Heizölfeuerung umgestellt, so dass eine Fertigung im nichtdurchgängigen 3-Schicht-System erfolgen konnte. 1974 wurde die Produktion an einer Behälterglaswanne eingestellt und eine maschinelle Bleipresslinie aufgebaut. Seit 1977 waren Importmaschinen im Einsatz, die überwiegend für den Export produzierten. Das Glaswerk Annahütte hatte sich auf den Export von Bleikristallprodukten spezialisiert. Mit einem Exportanteil von ca. 60% waren die USA, ganz Europa und Japan die wichtigsten ausländischen Absatzmärkte. Innerhalb Europas wurde vor allem in die Schweiz, nach Schweden und in die BRD exportiert. Außerdem wurde Bleiglas auch für den Bevölkerungsbedarf sowie Behälter- und Wirtschaftsglas hergestellt.

1973 wurde der VEB Glaswerk Annahütte, seit 1964 in die VVB Haushalts- und Verpackungsglas eingegliedert, Betriebsteil des VEB Glaswerk Großräschen; ab 1979 bis zum Ende der DDR Betriebsteil des VEB Glaswerk Döbern innerhalb des VEB Kombinates Lausitzer Glas Weißwasser.

Per 1.7.1990 erfolgte die Abtrennung vom Glaswerk Döbern und Umwandlung des Werkes in die Niederlausitzer Bleikristall-Hütte GmbH. Die Geschäftsanteile wurden der Treuhandanstalt übertragen. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 22.3.1991 unter dem Namen Bleikristall Elsterthal Annahütte GmbH. Gegenstand des Unternehmens waren Herstellung und Vertrieb von manuell- und maschinell gefertigten sowie mundgeblasenen Bleikristallartikeln. Im Sanierungskonzept war ein Abbau der Mitarbeiter von ca. 480 (Stand 31.12.1989) auf 300 bis 1994 vorgesehen.

Per 1.7.1992 übernahm die Hillebrand-Gruppe den Betrieb von der Treuhandanstalt mit ca. 150 Beschäftigten, die jetzt unter Crystal Castel GmbH Annahütte firmierte (eingetragen ins Handelsregister am 11.8.1993). Ziel der Unternehmensaktivitäten war die ausschließliche Herstellung exklusiver Bleikristallprodukte wie Vasen, Kerzenleuchter, Tortenplatten, Gebäckschalen u. a. Gegenstände. Die aufwendige Verarbeitung mundgeblasenen und handgeschliffenen sowie handgepressten und nachveredelten Bleikristallglases machte 1994 einen Anteil von 12% der Gesamtproduktion aus. Fast 90 % der Fertigung entfielen auf maschinell hergestelltes und nachveredeltes Bleikristallglas. Diese maschinelle Produktion sollte auch in Zukunft den Schwerpunkt der Unternehmensaktivitäten bilden. Dafür war für Ende 1994 nach der Sanierung des Geländes der Bau eines völlig neuen Glaswerkes geplant. Die Hillebrand-Gruppe hatte sich jedoch verspekuliert und konnte das notwendige Eigenkapital nicht aufbringen. Am 13.7.1995 wurde die Gesamtvollstreckung beantragt.


Bestandsgeschichte

Der Bestand wurde 2003 vom Niederlausitzer Heimatmuseum Spremberg, das die Unterlagen sichergestellt hatte, ohne Findhilfsmittel in das Brandenburgische Landeshauptarchiv übernommen. Im Jahr 2004 wurde eine Titelaufnahme durchgeführt; in den Jahren 2007/2008 erfolgte die endgültige Verzeichnung in einem Archivprogramm sowie die Findbucherstellung.
Aus den 1940er Jahren sind vor allem Inventur- und Bilanzunterlagen überliefert. Die 1950-er Jahre fehlen fast völlig. Eine relativ geschlossene Überlieferung ist erst ab ca. 1980 bis zur Schließung des Werkes 1995 vorhanden. Einen relativ großen Umfang haben die Unterlagen zur Normung sowie technische Dokumentationen zu Maschinen und Anlagen, vor allem ab den 1970-er Jahren. Gut überliefert sind auch Unterlagen zum Umwelt- und Arbeitsschutz im Betrieb ab den 1960-er Jahren.
Weitere Unterlagen zum VEB Glaswerk Annahütte sind in den im BLHA überlieferten Beständen Rep. 271 VVB Glas-Keramik Eichwalde, Rep. 910 VVB der Glasindustrie, Rep. 910 VVB Haushalts- und Verpackungsglas sowie Rep. 910 VEB Lausitzer Glas Weißwasser zu erwarten.


Abkürzungsverzeichnis

ABM Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
BMSR Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik
BP Betriebspreis
BV Bundesverband
DIN Deutsche Industrienorm
EAN-Code Strichcode
EDV Elektronische Datenverarbeitung
EVP Einzelhandelsverkaufspreis
FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
GHG Großhandelsgesellschaft
GST Gesellschaft für Sport und Technik
MMM Messe der Meister von Morgen
TGL Technische Normen, Gütervorschriften und Lieferbedingungen
VEB Volkseigener Betrieb
VD Vertrauliche Dienstsache
VVB Vereinigung Volkseigener Betriebe
Vorgänger:Fa. H. Heye, Glasfabrik Annahütte
Nachfolger:Niederlausitzer Bleikristall-Hütte GmbH, Bleikristall Elsterthal Annahütte GmbH

Angaben zum Umfang

Umfang:11 lfm

Angaben zur Benutzung

Zitierweise:BLHA, Rep. 910 VEB Glaswerk Annahütte Nr.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Archivar
Physische Benützbarkeit:§ 11 BbgArchivG
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=84819
 
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