514 ORZ Tier Pa; Rep. 514 VEB Organisations- und Rechenzentrum Tierzucht Paretz; 1963-2000 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 514 VEB Organisations- und Rechenzentrum Tierzucht Paretz
Dat. - Findbuch:1963 - 2000
Vorwort:Betriebsgeschichte
Die Notwendigkeit und Forderung nach einem Rechenzentrum für die Tierzucht ergab sich aus dem Entwicklungsstand in der Tierzucht und in der Rechentechnik. Zum einen war zum 1. Januar 1963 in Paretz die VVB Tierzucht gebildet worden. Ihr oblag die Organisation und Leitung der Tierzucht in den Landwirtschaftsbetrieben der DDR, v.a. auf der Grundlage langfristiger Zuchtprogramme für die Rinder-, Schweine- und Schafzucht. Zum anderen beschloss der Ministerrat der DDR am 3. Juli 1964 ein „Programm zur Entwicklung, Einführung und Durchsetzung der maschinellen Datenverarbeitung in der DDR in den Jahren 1964 bis 1970“. Ende 1965 wurde in Radeberg der erste Rechenautomat, der „Robotron 300“ (R 300) in die Produktion genommen, im September 1966 das erste Exemplar der Öffentlichkeit vorgestellt und im Laufe des Jahres 1967 wurden die ersten Anlagen in Rechenzentren und Großbetrieben aufgebaut.
Diesen Entwicklungen gemäß wurde der VEB Rechenzentrum Tierzucht Paretz zum 1. Juli 1965 geschaffen und am 29. März 1966 in das Handelsregister eingetragen. Er unterstand der 1963 gebildeten VVB Tierzucht Paretz. Das Statut vom 10. Januar 1966 nennt als Aufgaben die Bearbeitung des erforderlichen Datenmaterials mittels moderner mathematischer Methoden und die Bereitstellung von Informationen für die Leitungstätigkeit der Betriebe und Einrichtungen der VVB Tierzucht Paretz und aller Herdbuchzuchtbetriebe der Landwirtschaft. Ab 1968 firmierte er als VEB Organisations- und Rechenzentrum Tierzucht (ORZ).
Zunächst einmal musste aber ab 1966 das Rechenzentrum sowohl als Investitionsvorhaben errichtet werden, als auch die personelle Besetzung mit qualifizierten Arbeitskräften geschaffen werden. Ende 1969 wurde die erste Anlage des R 300 geliefert. Schrittweise wurden die EDV-Systeme Rind und Schwein ab 1970 in die Praxis eingeführt. 1972 arbeiteten drei R 300, auch später zumeist im durchgehenden Schicht-System.
Für die Informationsgewinnung in der Tierzucht wurde der verstärkte Einsatz der EDV und damit die breite Anwendung mathematischer Verfahren zur Zuchtauswahl und Selektion zur Erreichung eines hohen Zuchtfortschritts und der Erhöhung der Effektivität in der praktischen Zuchtarbeit bei der Durchsetzung der Zuchtprogramme immer dringender. Auch die steigenden Anforderungen durch die Ende der 1960er Jahre entstehende Zuchtorganisation in industriemäßigen Anlagen erweiterten die Aufgaben des ORZ. Es wurde nun als Organ der VVB Tierzucht für die Leitung, Planung und Organisation der EDV in der Tierzucht der DDR zuständig. Das Statut vom 1. September 1972 nennt die Datenverarbeitungsprojektierung, die rationelle Prüforganisation, die Verarbeitung und Speicherung der anfallenden Daten und die Informationsbereitstellung. Hierzu war eine enge Zusammenarbeit mit den VEB Tierzucht und den Rechenzentren im Bereich des Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft erforderlich. Außerdem arbeitete das ORZ aktiv in der Ständigen Kommission Landwirtschaft des RGW zum Thema „Erarbeitung und Einführung ökonomisch-mathematischer Methoden und der EDV in der Tierzucht“ mit, wozu ein Koordinierungszentrum in Prag geschaffen wurde.
Ab Mitte der 1970er Jahre entstanden Planungen zum Einsatz der ESER-Rechentechnik, einer neuen Generation von Rechnern mit einer höheren Leistungsfähigkeit. Der Begriff „ESER“ bedeutet dabei „Einheitliches System der elektronischen Rechentechnik“. Es handelte sich um eine im Rahmen des RGW entwickelte Typenreihe von EDV-Anlagen. In der DDR wurde u.a. der „Robotron 40“ (auch R 40, ES 1040 oder EC 1040 genannt) entwickelt. Zunächst war für den VEB ORZ Tierzucht eine EDVA vom Typ EC 1055 geplant, das Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik entschied dann aber 1981, einen EC 1040 anzubieten, der Anfang 1982 in Betrieb genommen wurde. Neue Anwendungsprogramme wurden gleich für den EC 1040 geschrieben, die alten mussten in das neue System überführt werden. Es war beabsichtigt, die R 300 1982/83 auszurangieren, doch noch 1985 musste aufgrund der Fülle der Aufgaben auf zwei R 300 zurück gegriffen werden. 1984 fiel deshalb die Entscheidung, einen zweiten ESER-Rechner zu installieren. Bestellt wurde ein EC 1035, geliefert wurde Anfang 1986 der Nachfolger, ein EC 1036. Er wurde im Oktober 1986 in Betrieb genommen und als Jugendobjekt geführt.
Schwerpunkte bildeten Projekte in der Rinder- und Schweinezucht. EDV-Projekte der Rinderzucht waren u.a.: Milchleistungsprüfung (MILP), Besamung/Zuchthygiene (BEZU), Zuchtwertprüfung, Wachstumsleistung, Mast- und Schlachtleistungsprüfung, Erbwertschätzung Jungkühe, Fleischrindzucht, Melkbarkeitsprüfung.
EDV-Projekte der Schweinezucht waren u.a.: Fruchtbarkeit (FRU), Selektionshilfen (SEHI), Eigenleistung im Zuchtbetrieb, Zentrale Eberaufzuchtstation (ZEA), Stichprobentest (SPT), Stammdateiführung Eber, Ultraschalltest.
1985 wurden von 3.280 LPG, VEG und kooperativen Einrichtungen u.a. die Daten von 915.000 Kühen in der Milchleistungsprüfung, 2.594.000 Kühen und Färsen in der Besamung und Zuchthygiene sowie von 297.000 Sauen in der Besamung und Fruchtbarkeitskontrolle erfasst.
Die Erfassung der Daten erfolgte 1985 im Wesentlichen folgendermaßen: Die Primärdaten wurden in den Landwirtschaftsbetrieben manuell in Belegen eingetragen und in den Datenerfassungsstellen (DES) der VEB Tierzucht mit Hilfe der Datenerfassungsgeräte DEG robotron 1370 auf Magnetbandkassetten übernommen. Die Magnetbandkassetten wurden per Zentralem Kurierdienst (ZKD) täglich zum ORZ übersandt. Im ORZ erfolgte nach der Konvertierung über den ESER-Rechner EC 1040 deren Verarbeitung. Dieser Datenspeicher stand der VVB Tierzucht, den wissenschaftlichen Einrichtungen der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften und den Universitäten zur Auswertung zur Verfügung.
Das ORZ war über die meisten Jahre in fünf Fachabteilungen, die sich mit der EDV befassten, untergliedert. Die Abt. Produktionsorganisation war verantwortlich für die Organisation und Kontrolle des Produktionsablaufes auf der Grundlage bestätigter Produktionspläne. U.a. erarbeitete sie Normen, führte Kontrollen beim Belegein- und –ausgang durch, war für die Komplettierung der Produktion (Vorbereitung und Kontrolle der Aufträge) und Archivierung der Datenträge zuständig. Die Abt. Systemprogrammierung und Technologie sicherte die Bereitstellung und Anwendung der allgemeinen anlagenorientierten Systemunterlagen und Technologien für die Abarbeitung der Datenverarbeitungsprojekte für die im ORZ vorhandene materiell-technische Basis. Die Abteilungen EDV-Projektierung Rinder- bzw. Schweinezucht schrieben und testeten die spezifischen EDV-Projekte der Rinder- bzw. Schweinezucht einschließlich der Reproduktion der Rinder- bzw. Schweinebestände und der tierärztlichen Betreuung. Die Abt. Produktion und Technik führte letztendlich die Produktion mit den EDVA durch, einschließlich deren Rekonstruktion, Wartung und Reparatur.
Betriebsdirektoren waren Dr. Eberhardt Beeg (ab 1966), Eckhard Wendt (ab 1968), Dr. Bernd Geißler (ab 1974), Dr. Rainer Friedel (ab 1985) und Dr. Werner Feucker (1988-1990). In den 1970er und 1980er Jahren waren im ORZ um die 180 Mitarbeiter tätig.
1990 erfolgte die Umwandlung des VEB in die Tierdata GmbH Paretz; per 30.06.1992 wurde der laufende Geschäftsbetrieb eingestellt und die Tätigkeit auf die Verwaltung des verbleibenden Vermögens beschränkt; am 31.10.1994 beschloss die Gesellschafterversammlung die Liquidation.

Bestandsgeschichte
Der Bestand wurde im Zuge der Auflösung des Betriebes 1992 dem BLHA angeboten und mit groben Ablieferungsverzeichnissen übernommen. 1997 erfolgte eine Bearbeitung und 2004 die Findbucherstellung. 2014 übergab die Rhenus GmbH, die im Auftrag der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben das Schriftgut liquidierter VEB verwahrte, weitere Akten, die 2015 verzeichnet wurden.
Zur Ergänzung sei auf den Bestand Rep. 514 VVB Tierzucht Paretz verwiesen. In ihm sind u.a. zahlreiche Akten zur Planung und Planabrechnung sowie die vom ORZ in die Dienstberatungen des Generaldirektors eingebrachten Vorlagen enthalten.

Abkürzungsverzeichnis
Abt. Abteilung
Abt.ltr. Abteilungsleiter
AG Arbeitsgruppe
BAB Betriebsabrechnungsbogen
BC Bürocomputer
BEZU Besamung/Zuchthygiene
BfN Büro für Neuererwesen
BKV Betriebskollektivvertrag
BLUP best linear unbiased prediction
DE Datenerfassung
DEG Datenerfassungsgerät
DES Datenerfassungsstellen
EB Erstbesamung
EDVA Anlage zur elektronischen Datenverarbeitung
ESER Einheitliches System elektronischer Rechentechnik
GAB Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz
Hj. Halbjahr
JURI Jungrinder
KOZ Koordinierungszentrum
LAN Leistungs- und Abstammungsnachweis
LB Lochband
LFN Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft
MB Magnetband
MBK Magnetbandkassette
MLFN Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft
MMM Messe der Meister von Morgen
MP Magnetplatte
ORZ Organisations- und Rechenzentrum
POS Polytechnische Oberschule
PS Prüfstation
R Robotron
RGW Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
RKV Rahmenkollektivvertrag
RPC Produktionskontrollsystem Rinderzucht
SED Sozialistische Einheitspartei Deutschland
SEHI Selektionshilfe
SPT Stichprobentest
US Ultraschall
VD Vertrauliche Dienstsache
WTZ Wissenschaftlich-technisches Zentrum
ZKD Zentraler Kurierdienst
Vorgänger:VEB Rechenzentrum Tierzucht

Angaben zum Umfang

Umfang:8 lfm

Angaben zur Benutzung

Zitierweise:BLHA, Rep. 514 VEB Organisations- und Rechenzentrum Tierzucht Paretz Nr.
Veröffentlichungen:Beeg, Eberhardt: Ein Beitrag zur Chronik des Organisations- und Rechenzentrum Paretz. Hrsg.: Vereinigte Informationssysteme Tierhaltungen w.V., Verden, 2008.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Archivar
Physische Benützbarkeit:§ 11 BbgArchivG
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=83433
 
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