Angaben zu Inhalt und Struktur |
Titel: | Rep. 23B Neumärkische Stände |
Vorwort: | Geschichte
Die Herausbildung der neumärkischen Stände begann am Ende des 13. Jahrhunderts. Es gelang der Ritterschaft und den Städten, landesherrliche Gerechtsame, hauptsächlich die Gerichtsbarkeit zu erwerben. Dazu trat mit zunehmendem Geldbedarf des Landesherrn das Steuerbewilligungsrecht. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts an stand neben dem landesherrlichen Landvogt ein Rat der Stände oder ein ständischer Ausschuss. Die Stände traten zu Landtagen zusammen, die in der Zeit der Herrschaft des Deutschen Ordens über die Neumark regelmäßig, später jedoch nur noch selten stattfanden. Die Landtage entwickelten sich zu Landesvertretungen, auf denen die Stände dem Landesherrn als geschlossene Korporation gegenübertraten. Ihre Rechte bestanden in der Aufstellung von Beschwerden, der Steuerbewilligung und der Mitwirkung bei der Gesetzgebung. Daneben versuchten sie, Einfluss auf Verwaltung und Rechtsprechung zu erlangen. Im 16. Jahrhundert setzte Markgraf Johann als Landesherr der zu dieser Zeit selbständigen Neumark die Oberhoheit über die Stände durch und ordnete sie seiner Gerichtsbarkeit unter. Die Stände wurden fast nur noch zu Steuerbewilligungen zusammengerufen. Erst nach dem Tode Markgraf Johanns 1571 gelang es den neumärkischen Ständen, den Einfluss der kurmärkischen Stände zu erringen. 1572 übernahmen sie den dritten Teil der Schulden der Kurmark auf die Neumark und erhileten dafür die provinzielle Selbständigkeit der Neumark innerhalb des Kurstaates zugebilligt. 1602 gestand Kurfürst Joachim Friedrich ihnen das Recht der Information über Einnahmen und Ausgaben an Biersteuer und Schoss zu. Eine eigene Steuerverwaltung wie die kur,ärkischen Stände übten die neumärkischen Stände jedoch nicht aus. Lediglich für die Einziehung des Land- und Giebelschosses war seit 1704 die ständische kurmärkische Hufenschosskasse auch für die Neumark zuständig; eine von deren sechs Verordnetenstellen wurde von der neumärkischen Ritterschaft besetzt. Die Schaffung einer eigenen ständischen Verwaltungsorganisation erfolgte erst durch die Übernahme finanzieller Lasten während des 30jährigen Krieges. Die Stände teilten sich in Ritterschaft (Adel) und Städte. An der Spitze der ständischen Verwaltung der Ritterschaft, der „Landschaft“, stand bald nach dem 30jährigen Krieg ein Oberkommissar oder Oberdirektor, später stets Landesdirektor genannt. Ihm unterstanden eine Reihe von Beamten (Landessyndikus, Obereinnehmer oder Landrentmeister). Die ständische Verwaltung in den Kreisen erfolgte durch Kreisdirektoren, die späteren Landräte. Die Ritterschaft verfügte über eine eigene Kasse, die Landesspesenkasse in Küstrin. 1717 wurde der Ritterschaft nach der Allodifikation der Lehen auch die Führung der Land- und Hypothekenbücher übertragen, für die 1718 bei der Landschaft in Küstrin eine Hypothekenregistratur eingerichtet wurde. An der Spitze der ständischen Verwaltung der Städte erscheint nach dem 30jährigen Krieg die Städtedirektion oder das Städtedirektorium. Es bestand zuerst aus 3 bis 4 Vertretern der Magistrate der Hauptstädte. Der erste Städtedirektor war zugleich der Einnehmer. Neben ihm standen weitere Beamte. Sitz des Direktoriums war zunächst Soldin, seit dem 18. Jahrhundert Küstrin. In Soldin, später in Küstrin, gab es eine eigene Städtespesenkasse. Der Einfluss und die Bedeutung der Stände sanken im 17./18. Jahrhundert. Durch die neunen Steuerformen der Kontribution und der Akzise machte sich der Landesherr von den ständischen Steuerbewilligungen unabhängig. Mit dem weiteren Ausbau des absolutistischen Staates gelang es ihm, die Stände politisch zu entmachten und auf die lokale Ebene zurückzudrängen. Die stände behielten jedoch ihre sozialen Privilegien und verlegten ihre Tätigkeit auf das Gebiet der Feuerversicherung, des Landarmenwesens und des Kreditgeschäfts. 1778 begründete die Ritterschaft nach kurmärkischem Vorbild die „Neumärkische Landfeuersozietät“. Als Kreditanstalt für den Adel entstand 1778 das „Kur- und neumärkische Kreditwerk“. An der Spitze stand die Hauptritterschaftskreditdirektion, darunter fünf Landschaftsdirektionen. 1800 wurde der „Landarmenverband für die Neumark“ begründet. In der Zeit nach dem Zusammenbruch Preußens 1806/07 erlebte die Tätigkeit der Stände, vor allem auf finanziellem Gebiet, einen neuen Aufschwung. 1806 entstand das „Ständische Komitee“ der Neumark für die Regulierung der Kriegskontribution. Ihm gehörten drei Mitglieder der Ritterschaft, ein Vertreter der Städte und der Landessyndikus an. 1812 wurde das Komitee aufgelöst. 1809 wurde ein Teil der Domänen der Kur- und Neumark zur Abtragung der französischen Kontribution wiederkäuflich an die Stände veräußert. In der Neumark betraf der Verkauf 18 Ämter, für deren Finanzverwaltung 1809-1815 die Ständische Domänenverwaltungskommission bestand. Im Zusammenhang mit den Stein-Hardenbergschen Reformen wurde nach 1810 der Einfluss der Stände wieder eingeschränkt. 1810 wurde die Ritterschaftliche Hypothekenregistratur aufgehoben; ihre Zuständigkeit ging auf das Oberlandesgericht der Neumark über. 1811 verloren sie Stände auch die Verwaltung der Armensachen, erhielten sie jedoch später auf ihren Protest hin zurück. Mit der ständischen Gesetzgebung von 1823 begann der letzte Abschnitt in der Geschichte der Stände. Der Versuch einer völligen Restauration scheiterte an der Entwicklung des modernen Obrigkeitsstaats. 1823 wurde der Ständische Verband der Mark Brandenburg und des Markgraftums Niederlausitz gebildet. Innerhalb der neunen Provinz wurden Provinzialstände eingerichtet. Sie beruhten auf dem Grundeigentum, wodurch der Großgrundbesitz nach wie vor das entscheidende Übergewicht behielt. Die Stände erhielten das Recht der Beschlussfassung in Provinzialangelegenheiten, der Gesetzesberatung bei allgemeinen Gesetzen und der Beschlussfassung in Kommunalsachen. Als Organ des Ständischen Verbandes fungierte der Provinziallandtag, auf dem Ritterschaft, Städte und Landgemeinden vertreten waren. Die eigentliche ständische Kommunalverwaltung erfolgte jedoch durch die Kommunalverbände der einzelnen Landschaften. Ihre Organe waren die jährlich stattfindenden Kommunallandtage. Zu den Aufgaben der Kommunalverbände gehörten das Landarmen-, Taubstummen- und Blindenwesen, Feuersozietät, Landesmelioration u. a. Durch die Provinzialordnung von 1875 wurden die Provinzialstände durch die Provinzialverbände ersetzt, die die Aufgaben der Provinzial- und Kommunalstände übernahmen. Damit hatten die Stände ihre Daseinsberechtigung verloren. Der neumärkische Kommunallandtag beschloss 1878 die Auflösung des kommunalständischen Verbandes der Neumark, die durch Gesetz vom 19. 1. 1881 auch erfolgte.
Bestandsgeschichte
Das Ständearchiv besteht eigentlich aus mehreren Archiven. Die ältesten sind das landschaftliche Archiv, das in Küstrin aufbewahrt wurde, und das Archiv des Städtedirektoriums, das sich ursprünglich in Soldin, seit 1724 in Küstrin befand. Das neumärkische Ständearchiv erlitt bei dem Brand von Küstrin 1758 nur geringe Verluste. Im 19. Jahrhundert kam die Registratur des neumärkischen Kommunallandtages hinzu. 1887 wurde das Ständearchiv nach Berlin überführt und mit dem Archiv der kurmärkischen Stände zum Archiv der Provinzialverwaltung vereinigt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es geordnet und verzeichnet und durch ein gedrucktes Inventar erschlossen. Das Archiv der Provinzialverwaltung wurde 1938 nach Potsdam verlegt und gelangte 1949 in das BLHA. Die Akten der seit 1718 existierenden landschaftlichen Hypothekendirektion der Neumark gelangten nach ihrer Auflösung 1810 an das Oberlandesgericht der Neumark und nach mannigfaltigen Wechseln schließlich an die Amtsgerichte, die sie an das Geheime Staatsarchiv abgaben. Nach der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg wurden sie in das BLHA überführt, wo sie in das Ständearchiv eingegliedert wurden. Ebenso die Akten der Landarmendirektion der Neumark. Eine Neubearbeitung des Bestandes konnte 1994 abgeschlossen werden. 1963 wurden vom Deutschen Zentralarchiv, Abteilung Merseburg, die Urkunden der neumärkischen Stände an das BLHA übergeben.
Literatur: Melle Klinkenborg: Das Archiv der Brandenburgischen Provinzialverwaltung, Bd. 2: Das neumärkische Ständearchiv, Strausberg 1925. - Wolfgang Neugebauer: Die neumärkischen Stände im Lichte ihrer Tätigkeit, in: Neumärkische Stände (Rep. 23B), bearbeitet von Margot Beck und eingeleitet von Wolfgang Neugebauer (Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Bd. 9), Frankfurt am Main 2000, S. XVII-LXXVI (online als kostenloses E-Book: https://www.peterlang.com/document/1156989). - Wolfgang Neugebauer: Staatskrise und Ständefunktion. Die Landstände der mittleren Provinzen Preußens in der Zeit nach 1806, besonders in der Neumark Brandenburg, in: Roland Gehrke, Hg., Aufbrüche in die Moderne. Frühparlamentarismus zwischen altständischer Ordnung und monarchischem Konstitutionalismus 1750-1850. Schlesien - Deutschland - Mitteleuropa (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 12), Köln - Weimar - Wien 2005, S. 241-268. |
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