16 Wendt; Rep. 16 Nachlass Hans Wendt; 1543-2000 (Bestand)

Archivplan-Kontext

 

Allgemeine Information

Angaben zu Inhalt und Struktur

Titel:Rep. 16 Nachlass Hans Wendt
Dat. - Findbuch:(1543 -) 2000
Vorwort:Einleitung

Hinter dem Uckermärkisches Archiv verbirgt sich eine umfangreiche Sammlung von orts- und familiengeschichtlichen Unterlagen, die der Genealoge Hans Wendt (1915-1988) in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen hat. Die selbstgewählte Bezeichnung verdeutlicht, dass sein Hauptinteresse der uckermärkischen Heimat galt, einer Landschaft im Norden Brandenburgs, die an Mecklenburg und Pommern grenzt und in ihrem Umfang weitgehend mit den 1816-1950 bestehenden Landkreisen Angermünde, Prenzlau und Templin, aber nur noch teilweise mit dem heutigen Landkreis Uckermark übereinstimmt. In seiner Sammlung findet sich aber auch Material über andere brandenburgische Landesteile und über die Grenzregion zu Pommern, die in enger Verbindung zur Uckermark stand, insbesondere die Gebiete diesseits der Oder, die vor 1945 zum pommerschen Kreis Randow gehörten. Das Spektrum der Sammlung ist reichhaltig. Neben gedruckter und ungedruckter Literatur zur Orts- und Landesgeschichte finden sich genealogische Ausarbeitungen in ganz unterschiedlichen Form (Ahnenlisten, Stammfolgen, Familiengeschichten, Personen- und Ortskarteien), vor allem aber Kopien und Auswertungen uckermärkischer Kirchenbücher. Vieles liegt zwar nur in Abschrift oder Ablichtung vor, eine ähnliche Geschlossenheit und Dichte an Material zur Uckermark-Genealogie dürfte an anderer Stelle aber wohl kaum zu finden sein. Zu den ältesten und wertvollsten Stücken gehört sicherlich die Matrikel des Prenzlauer Gymnasiums von 1779-1847. Der Bestand gelangte nach dem Tode Wendts im Jahre 2000 als Depositum seiner Erben in das Brandenburgische Landeshauptarchiv in Potsdam und steht hier als Rep. 16 Nachlass Wendt für die Benutzung zur Verfügung. Bevor die Entstehungsgeschichte und der Inhalt näher erläutert werden, einige Worte über den Nachlasser und die Entstehung seines Uckermärkischen Archives.

Hans Wendt stammte aus einem uckermärkischen Bauerngeschlecht, das sich nach Ausgang des Dreißigjährigen Krieges in Wallmow, nordöstlich von Prenzlau, ansiedelte und bis zur Enteignung 1945 mehrere Höfe in Besitz hatte. Als Sohn des Landwirtes Erich Wendt und seiner Ehefrau Luise Köpcke am 22. August 1915 in Wallmow geboren, trat er nach Besuch des Prenzlauer Gymasiums in die Fußstapfen seines Vaters. Er absolvierte Lehrjahre auf verschiedenen Gütern und landwirtschaftliche Fortbildungskurse, bevor er als 21jähriger im Jahre 1936 die Bewirtschaftung des elterlichen Hofes von 150 ha übernahm. Als weitere Qualifizierung diente die Ausbildung an der Höheren Landbauschule in Potsdam, wo er den Abschluß als staatlich geprüfter Landwirt erwarb. Die Hoffnung den Familienbesitz in 11ter Generation fortführen zu können, wurde durch den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Spaltung zunichte gemacht. 1940 wurde Wendt eingezogen und geriet bei Kriegsende in sowjetische Gefangenschaft, aus der er erst Anfang 1950 entlassen wurde. Inzwischen war der Besitz in Wallmow durch die Bodenreform enteignet worden und die Eltern heimat- und mittellos in den Westteil Berlins geflüchtet. Die folgenden Jahre waren damit ausgefüllt sich eine neue Existenz in Berlin-Zehlendorf aufzubauen. "Zunächst arbeitete ich bei der Aufräumung Berlins und baute mir in der Freizeit einen [...] kleinen Betrieb durch Pachtung von 11 ha Acker auf, den ich aber im Laufe der Zeit – insbesondere durch Pachtung der Exklave Wüstemark – in weiteren 5 Jahren auf 350 Morgen brachte. Unter Glas zog ich ¼ Mill. Gemüsepflanzen an, bestellte 60 Morgen Feldgemüse, Gurken und Tomaten in 3000 qm Glashäusern, hatte 5 Traktoren laufen, wurde Land los, bekam neues dazu, führte Prozesse, musste Gemüsebau einstellen, richtete Hühnerfarm ein, hörte nach 5 Jahren wieder damit auf und hatte reichlich spät dann restlos die Nase voll in einer Großstadt Landwirtschaft zu betreiben. Heute [1977] habe ich noch meine Wüstemark und Weiden für eine bescheidene Araberzucht. Daneben einen kleinen Gemüseladen." Wendt war zweimal verheiratet und hatte sechs Kinder. Die erste während des 2. Weltkrieges geschlossene Ehe wurde wenige Jahre später in der Kriegsgefangenschaft geschieden. Aus der zweiten Ehe mit der ebenfalls aus der Uckermark stammenden Gertrud Kaune gingen vier Kinder hervor. Der Sohn Peter hat sich nach 1990 wieder in Wallmow ansässig gemacht. Ungeachtet der Schwierigkeiten, die Kalter Krieg und Mauerbau hervorriefen, pflegte Wendt intensiv seine Verbindungen zur uckermärkischen Heimat. Die Pachtung der West-Berliner Exklave Wüstemark im DDR-Bezirk Potsdam bot dafür günstige Voraussetzungen. Der Landwirt besaß einen Dauerpassierschein, der es ihm ermöglichte, regelmäßig in die DDR einzureisen. Die Wiedervereinigung erlebte er nicht mehr. Er starb am 27. Februar 1988 auf der Durchreise in Potsdam.

Wendt war ein leidenschaftlicher Genealoge, der sich bereits als junger Mann mit der Geschichte der eigenen Familie beschäftigt hatte. Spuren davon sind an verschiedenen Stellen in seinem Nachlass zu finden. Das Interesse war aber nicht allein darauf beschränkt. Er knüpfte Kontakte zu anderen uckermärkischen Genealogen und Heimatforschern, mit denen er in regen Schriftwechsel trat, untersuchte die Geschichte seines Heimatortes Wallmow und der Auswanderung uckermärkischer Familien nach Übersee (USA und Australien), edierte das Prenzlauer Bürgerbuch und erforschte gemeinsam mit Johanna Oqueka die Genealogie von Hugenottenfamilien, die infolge des Potsdamer Ediktes von 1685 in die Uckermark emigriert waren. Vor allem aber trug er seine reichhaltige Sammlung zusammen, die ihm und Gleichgesinnten als Arbeitsmittel diente.

Seit den 1970er Jahren bemühte sich Wendt verstärkt darum, uckermärkische Kirchenbücher abzulichten, zunächst in Form von Papierkopien, später verstärkt in Form von Kleinbildfilmen. Triebfeder war zum einen die schlechte Zugänglichkeit der Quellen für Forscher außerhalb der DDR, zum andern die Sorge vor erneuten, unwiederbringlichen Verlusten. Nach seiner Berechnung waren infolge des Zweiten Weltkriegs 159 Kirchenbücher und 107 Konfirmandenregister evangelischer Kirchengemeinden in der Uckermark vernichtet worden. Dass die Befürchtungen im Einzelfall nicht unbegründet waren, zeigt sein Bericht über die Suche nach den ältesten Kirchenbüchern von Drense und der französisch-reformierten Gemeinde Gramzow, die er bei Drense durch Zufall, bei Gramzow durch langwierige Recherche in Privathand wiederfand. Die Kirchenbuchverfilmung erfolgte zwar auf eigene Initiative, war aber mit den Konsistorien der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Ost und West) abgestimmt. Wendt war kirchenkreislicher Archivpfleger und verfügte über eine Bescheinigung des Konsistoriums Berlin (West), die ihn berechtigte „Kopien der in den uckermärkischen Kirchengemeinden befindlichen Kirchenbücher herzustellen“. Ein weiterer Partner war die Arbeitsgemeinschaft für uckermärkische Kirchengeschichte um den Criewener Pfarrer Herbert Lüpnitz, mit dem Wendt verwandtschaftlich verbunden war. Lüpnitz vermittelte die Kontakte zu den uckermärkischen Pfarrern und sorgte für die Ausleihe von Kirchenbüchern des ehemaligen Kreises Randow aus der vorpommerschen Landeskirche. Besonders förderlich für das Unterfangen war der Dauerpassierschein für die Exklave Wüstemark, der häufige Reisen in die DDR ermöglichte. Die Kirchenbücher wurden in der Regel vor Ort in den Gemeinden verfilmt, teilweise aber auch wenn sie sich zur Restaurierung in Berlin (West) befanden. Im Ergebnis liegen ca. 350 Bände mit Kirchenbuchkopien und -auswertungen und ca. 3.700 Filme im Nachlass Wendt vor. Sie decken einen überwiegenden Teil der uckermärkischen Kirchenbuchüberlieferung bis zum Einsetzen der Standesämter im Jahre 1874 ab. Außerdem sind zahlreiche Kirchenbücher aus dem pommerschen Kreis Randow, vereinzelt auch Register aus anderen brandenburgischen Landesteilen überliefert. Leider ist die Qualität der Nasskopien aus der Frühzeit der Papierkopierer und ihre Bindung relativ schlecht. Sie sind zwar benutzbar, dürfen aber nicht weiter kopiert werden. Von den Kleinbild-Filmen sind zum überwiegenden Teil keine Rückvergrößerungen angefertigt worden. Da zum einen die Vorlagen noch existieren und das Landeskirchliche Archiv in Berlin seit Jahren eine professionelle Sicherungsverfilmung durchführt und zum andern die Kirchenbuchfilme im Nachlass von sehr unterschiedlicher Qualität sind und nur mit erheblichem Aufwand rückvergrößert werden können, sind sie für die Benutzung gesperrt.

Enge Verbindungen zu anderen Forschern sorgten für weitere Zugänge zum Uckermärkischen Archiv. Von dem Prenzlauer Heimatforscher Alfred Hinrichs (1896-1977) ist ein großer Teil seiner schreibmaschinenschriftlichen Exzerpte zur Geschichte uckermärkischer Ortschaften, insbesondere von Prenzlau, in den Bestand gelangt. Der Denkmalpfleger hatte 1945 das Museum im ehemaligen Dominkanerkloster wiederaufgebaut und bis zu seiner Entlassung 1962 geleitet. Da die uckermärkische Hauptstadt im 2. Weltkrieg weitgehehend zerstört wurde und die musealen und archivalischen Quellen durch Auslagerung nicht zugänglich waren, hatte Hinrichs im großen Umfang Quellen- und Literaturexzerpte angefertigt, die ihm seine Arbeit erleichtern sollten (vgl. 1.2.2). Sie sind bis heute ein nützliches Hilfsmittel zur Orts- und Landesgeschichte. Über das Netzwerk uckermärkischer Genealogen gelangten auch Nachlassteile von Rudolf Beysen (1901-1968), Georg Durow (1888-1958) und Dr. Martin Jacob (1900-1970) an Hans Wendt. Er hat die übernommenen Unterlagen nach Bedarf weitergeführt oder auch geteilt und umgeordnet. Sofern die Herkunft erkennbar war, ist sie im Findbuch vermerkt. Einen wichtigen Zugang bildete das genealogische Material von Rudolf Beysen , das Hans Wendt nach dessen Tode 1968 durch seine Schwester erhielt. Darunter befanden sich auch die beiden - auf Grund des Formates unterschiedenen - Uckermark-Karteien. Sie waren von Durow und Beysen angelegt und von den unterschiedlichsten Familienforschern ergänzt worden. Hans Wendt führte sie weiter fort und schätzte ihren Umfang auf „wohl einige 100.000 Namen und Daten von Uckermärken“. Besonderen Wert haben die Karteien durch die Auswertung von Quellen, die im 2. Weltkrieg vernichtet wurden, insbesondere Quellen aus den Beständen des Geheimen Staatsarchives in Berlin-Dahlem, X. Hauptabteilung Provinz Brandenburg. Erwähnenswert sind auch die ungedruckte Quellenauswertungen Beysens, wie z. B. „Die Kirchenbücher des preußischen Infanterieregiments von Prenzlau in der Uckermark von 1731-1765, Typoskript 1961“, „Die Einwohner der Stadt Züllichau um 1700 mit Vorfahren und Nachkommen., Typoskript, 1966“ und „Die Einwohner der Stadt Lychen in der Uckermark in der 1. Hälfte des 17. Jahrhundert, 1937“. Von Durow sind vor allem die Abschriften familiengeschichtlicher Quellen der Uckermark aus dem 16.-18. Jahrhundert hervorzuheben, die dieser mit großer Akribie vor 1945 im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem fertigte. Als dritte umfangreichere Fremdprovenienz sind Unterlagen des Historikers und Genealogen Dr. phil. Martin Jacob in den Bestand gelangt, die weit über die Uckermark hinausgehen. Seine Biographie spiegelt die Brüche und Verwerfungen des 20. Jahrhunderts wider. Nach höherer Schulbildung am Reform-Realgymnasium Frankfurt (Oder) und Militärdienst in der Reichswehr (1918-1920) studierte er Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft an den Universitäten Gießen, Berlin und Köln. Im Rheinland wurde er 1929 über das Kölner Theater im 18. Jahrhundert bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit (1700-1794) promoviert. Auf verschiedene Engagements als Schauspieler und längere Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise folgte 1934 eine gesicherte Anstellung im öffentlichen Dienst. Von 1936-1943 war er als Referent in der Reichsfilmkammer und später der Reichskulturkammer tätig. Seine berufliche und private Beschäftigung mit dem Nachweis „arischer“ Abstammung für Film- und Kulturschaffende schlägt sich in den hinterlassenen Forschungsunterlagen nieder (vgl. 4.2.2). Nach Wendt war „er [...] vor dem Kriege genealogisch tätig [...] für damals prominente Leute, die keinen semitischen Fleck in ihrer AT haben wollten, und nach dem Krieg für solche Leute, die gerne so einen Fleck gehabt hätten.“ In der Nachkriegszeit hatte Jacob auf Grund seiner Tätigkeit und Parteimitgliedschaft erhebliche Schwierigkeiten beruflich wieder Fuss zu fassen. Nach zahlreichen Aushilfstätigkeiten fand er 1961 schließlich als sogenannter „Notstandsangestellter“ eine Aufgabe im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Nebenbei versuchte er, durch genealogische Aufträge Geld zu verdienen. Von seinen uckermärksichen Forschungen finden sich im Nachlaß Arbeiten über die Vorfahren des Malers Jacob Philipp Hackert und das älteste Kirchenbuch von Schönwerder und Bandelow, Kr. Prenzlau. Die geplante Drucklegung des Registers ist aber nicht realisiert worden.

Bei der Übernahme des Uckermärkischen Archives wurde eine Trennung in Archiv- und Bibliotheksgut durchgeführt, wobei die alten Signaturen beibehalten blieben. Grundlage war das numerische Bestandsverzeichnis von Hans Wendt. Die gedruckte Literatur ist künftig als separierter Teil in der Dienstbibliothek des Brandenburgischen Landeshauptarchives zu finden, während das vorliegende Findbuch das ungedruckte Material im Aktenbestand erschließt. Wenn notwendig, wird auf Bücher aus dem Bibliotheksbestand verwiesen. Da das bisherige Findhilfsmittel recht kursorisch war und die einzelnen Akten einen sehr heterogenen Inhalt aufwiesen, erfolgte eine völlige Neuverzeichnung mit ausführlichen Enthält-Vermerken. Der Bestand umfasst 750 Bände und ca. 3700 Filme aus dem Zeitraum 1779-1988 und gliedert sich in vier Hauptabschnitte:
1. Orts- und Landesgeschichte
2. Kopien und Auswertungen evangelischer Kirchenbücher
3. Persönliche Unterlagen von Hans Wendt
4. Nachlassreste uckermärkischer Familienforscher

Angaben zum Umfang

Umfang:26,51 lfm; 750 Akte(n)

Angaben zur Benutzung

Zitierweise:BLHA, Rep. 16 Nachlass Hans Wendt Nr.
Veröffentlichungen:Werner Heegewaldt: Das Uckermärkische Archiv von Hans Wendt. Ein Findbuch zum Nachlass Wendt im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (= Schriftenreihe der Stiftung Stoye Bd. 44). Marburg an der Lahn 2007.
 

Benutzung

Erforderliche Bewilligung:Keine
Physische Benützbarkeit:Uneingeschränkt
Zugänglichkeit:Öffentlich
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL: http://blha-recherche.brandenburg.de/detail.aspx?ID=111734
 
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